Was tun gegen den Haß?

■ Demonstrieren Mahnwachen vor Asylbewerberheimen AusländerInnen verstecken, damit sie nicht in die Ostländer gebracht werden: Noch sind es viel zuwenig Aktionen, kaum jemand weiß vom andern.

Was tun gegen den Haß? Demonstrieren — Mahnwachen vor Asylbewerberheimen — AusländerInnen verstecken, damit sie nicht in die Ostländer gebracht werden: Noch sind es viel zuwenig Aktionen, kaum jemand weiß vom andern.

Die Helfer wirken etwas hilflos an diesem Freitagmorgen. Im Keller der Frankfurter Universität kampieren drei Familien, sechs Erwachsene und sechs Kinder, in Etagenbetten. Hier finden sonst Erstsemester-StudentInnen Unterschlupf, die noch kein Zimmer haben. Die Kinder spielen im geschützten Innenhof vor dem Uni-Kinderladen Verstecken. Sie spielen damit ihre eigene Lebensrealität nach. Seit Dienstag abend verbergen sie sich hier, geflüchtet aus einem Asylantenheim im thüringischen Ilmenau, vor den Behörden. Der AStA hat den Raum zur Verfügung gestellt. Die Universitätsleitung, sagt Christian Gasche von den Grünen im AStA, sei damit vorerst einverstanden.

Tommi Kimmig von der Linken Liste nennt das Problem beim Namen: „Verstecken, das ist keine Dauerlösung.“ Schräg gegenüber am Tisch sitzt A. aus Ägypten und berichtet in englischer Sprache aus Ilmenau. Fast das ganze Heim, in dem rund 70 Menschen untergebracht waren, sei mittlerweile leer.

30 von ihnen sind am Dienstag in das hessische Auffanglager in Schwalbach zurückgekehrt. Ungefähr die Hälfte ist bei Verwandten untergetaucht, andere sind noch verschollen. Warum sie — nach neun Monaten Aufenthalt — gegangen sind? Zuerst, sagt A., haben sie gehungert, weil sie kaum Geld vom Sozialamt bekamen, später haben sie gehungert, weil sie sich nicht zum Einkaufen trauten.

Den täglichen Kleinkrieg mit den Behörden, die auf nichts vorbereitet waren, hätten sie noch ausgehalten. Auch daß sie sich dort nicht verständlich machen konnten und keine Rechtsanwälte fanden, „weil die alle nur Deutsch und Russisch sprechen“, hätten sie noch ausgehalten. Aber in den letzten Tagen seien 150 Skinheads nach Ilmenau gekommen, hätten den Bahnhof belagert und randaliert. Rund um sie herum, in allen Orten der Umgebung, seien Heime mit Brandsätzen angegriffen worden: „Everywhere is fire!“ Seinem Nebenmann, einem jungen Somalier mit weichen Gesichtszügen, wird für seine Tränen ein Taschentuch über den Tisch gereicht.

Während der Pressekonferenz im zweiten Stock sind auch die Mitglieder des Komitees, das seit Monaten Wache in Schwalbach hält, um Zurückschiebungen in die neuen Bundesländer zu verhindern, erschrocken darüber, auf einmal ganz konkret Verantwortung für Menschen tragen zu müssen. Sie hätten nach Unterkünften gesucht, seien aber bei den Kirchen, der Arbeiterwohlfahrt und der Caritas abschlägig beschieden worden. Warum? Die hätten gesagt, sie wollten nicht denjenigen jungen Gruppen in der ehemaligen DDR in den Rücken fallen, die sich dort gerade gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit gründen. Außerdem sei das Thema, so ihr Eindruck, eher „tabu“. Sie hatten sich seit einem knappen halben Jahr heftig gegen die politische Argumentation der grünen Sozialministerin Iris Blaul und des Frankfurter Dezernenten für Multikulturelle Angelegenheiten, Daniel Cohn-Bendit, gewandt, daß das Asylrecht auch in Sachsen und Thüringen zu gelten habe.

Im AStA macht sich eine eher nachdenkliche Stimmung breit. Es brauche dringend, meint Kimmig, einen „gesellschaftlichen Diskurs, der von der Uni ausgehen kann“. Hier wollen sie zuerst mobilisieren. Und Gasche fügt an, man könne nicht „alles auf die Landesregierung schieben“. Hier sei der Bund gefragt. Die Quotierung zwischen den Bundesländern sei „viel zu schnell gegangen“, in den neuen Ländern fehle jede Infrastruktur. Der Ausländerbeirat, der heute mit seinem kommunalen Wahlkampf beginnt, schließt sich dieser Suche nach einem breiten Bündnis an. Frankfurt müsse, eingedenk seiner liberalen und weltoffenen Tradition, „internationale Flüchtlingsstadt“ werden. So habe das auch Cohn-Bendit am Dienstag abend auf der Kundgebung vor dem Römer gesagt, als er sich harte Angriffe von DemonstrantInnen gefallen lassen mußte. Der Ausländerbeirat begrüßte die Äußerung des Stadtrates und will ihn zu einer Diskussion in die Universität einladen: „Es geht nicht darum, vordergründig die grüne Politik zu entlarven.“ Den Menschen, die jetzt in der Bundesrepublik leben, sagt ein Student, seien die Politiker jedenfalls das Bleiberecht schuldig, „schon aus Scham über die Ereignisse“. Am Ende der Pressekonferenz beginnt dann eine erste politische Diskussion über die unterschiedlichen Standpunkte. Im Keller unten stehen drei Frauen still an der Wand und lassen die Pressebesichtigung des Raumes über sich ergehen. Heide Platen, Frankfurt