Friedensdemo ohne Wirkung — Serbische Führung setzt auf Sieg

Armee greift an allen Fronten an/ Kriegsdienstverweigerer in Serbien sind jetzt mit der Todesstrafe bedroht/ Kroaten erklären die Generalmobilmachung/ König in Belgrad  ■ Aus Belgrad Thomas Schmid

Für manche Ausländer war die Zahl der Demonstranten enttäuschend niedrig, die sich am Sonnabend in Belgrad trafen. Doch immerhin gehört mehr Mut dazu, während eines Krieges im eigenen Land zu demonstrieren als aus sicherer Entfernung. Über zweitausend Menschen protestierten am Samstag gegen den Angriff auf die „kroatischen Brüder“ und gegen die Zerstörung der historischen Baudenkmäler in Dalmatien. Hunderte von Menschen drängelten sich vor den Ständen, um ihre Unterschrift unter eine Protesterklärung diesbezüglich abzugeben. Der Sprecher des Antikriegskomitees Stojan Cerovic, der Dichter Rade Serbedzija und der Altdissident Pavlusko Imsirovic wendeten sich energisch gegen die Ankündigung von Strafen gegen Reservisten, die nicht in die Armee einrücken wollen.

Tausende von jungen Männern haben sich in den letzten Wochen geweigert, den Einberufungsbefehlen nachzukommen, serbische Zeitungen sprechen sogar von fast der Hälfte aller Reservisten. Deshalb forderte die regierende Sozialistische Partei Serbiens alle männlichen Bewohner auf, der Teilmobilmachung Folge zu leisten. Das von Serbien dominierte Rumpfstaatspräsidium ging noch weiter: Es drohte mit drastischen Strafen. Wer sich dem Eingerufungsbefehl nicht stellt, wird künftig mit Gefängnisstrafen von einem bis zu zehn Jahren zu rechnen haben. Berufsoldaten müssen sogar mit der Todesstrafe rechnen, mindestens jedoch mit fünf Jahren Haft. Todesstrafen müssen sogar jene fürchten, die sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entziehen. Wird dies die Protestwelle stärken oder schwächen? Die Demonstranten wollen von nun an tägliche Protestdemonstrationen durchführen.

Derweil geht der Krieg trotz des neuerlichen Waffenstillstandes weiter. Die serbische Zeitung 'Politika‘ forderte am Sonntag die Kapitulation Kroatiens. Äußerungen der Armeeführung lassen darauf schließen, daß sie nun auf den Sieg setzt. „Die Serben in Kroatien werden unter keinen Umständen in einem unabhängigen Staat Kroatien leben“, erklärte der serbische Außenminister Jovanovic. Dies bedeutet im Klartext die Annexion eines Teils des zur Republik Kroatien gehörenden Territoriums.

Auf der Gegenseite, in Kroatien, hat Präsident Tudjman am Sonntag die Generalmobilmachung angeordnet. Alle Bürger im Besitz von Waffen wurden aufgerufen, sich als Freiwillige den Verteidigungsverbänden zur Verfügung zu stellen. Heftige Kämpfe tobten am Sonntag vor allem im Osten Kroatiens und um die historische Stadt Dubrovnik. Die Belgrader Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ meldete, daß die Soldaten der Bundesarmee am Sonntag das Zentrum der seit Wochen heftig umkämpften Stadt Vukovvar in Slawonien erreicht hätten. Die Luftwaffe flog in Slawonien einige Einsätze. Der Chef der Nordregion der Armee, Rasita, sprach sogar von einem möglichen Vorstoß der Truppen auf Zagreb.

Bei seinem ersten historischen Besuch in Belgrad wurde der serbische Thronprädentent Aleksandar Karadjordjevic von Zehntausenden freundlich empfangen. Doch gab der in London lebende Nachfahre des serbischen Königshauses in Belgrad keine aktuelle Stellungnahme zu den Vorgängen in Jugoslawien ab (siehe dazu Interview in der taz vom Sonnabend).