Vom Nachttisch geräumt: Apokalyptiker

Vladimir Makanin ist, kaum einer hat es gemerkt, einer der wichtigsten lebenden russischen Autoren. Sein neuer Roman Das Schlupfloch spielt in Bunkern und Höhlen eines von allen guten Geistern verlassenen Moskau. Wer überleben will, gräbt sich unter die Erde. Eine gespenstische Szenerie. Das Licht wie in Bladerunner. Schlupfloch erzählt keine Geschichte, sondern rückt deren Ende bedrohlich nah. Die Apokalypse findet zwischen Bushaltestellen und Getränkeautomaten statt. Der Untergang hat längst begonnen, und auch wer zurück in die Erde geht, wird ihm nicht entgehen können.

Was den Menschen kurz vor dem Ende noch bleibt, das sind die erhabenen Worte. Sie sind — so verlogen und verkommen sie sein mögen — das einzige, was daran erinnert, daß Menschen nicht nur „kriechende oder sich verkriechende Kreaturen“ sind. Solange die Menschen die Worte noch nicht vergessen haben, solange besteht Hoffnung: „Der Geist hat die Redenden für eine Weile verlassen, aber sie halten immerhin das Niveau ihrer Worte aufrecht. (Auf daß der Geist — wie der Wind manchmal glühende Kohlen wieder anfacht — zurückkehren kann.)“ Aber es ist eine wahnwitzige Hoffnung, eine grundlose. Prinzipiell keine docta spes. Was sich dozieren läßt, spricht gegen sie.

Makanins Blick auf die ihn umgebende Wirklichkeit ist vorbehaltlos pessimistisch, ganz und gar frei von jedem Glauben an eine wirkliche Verbesserung. Nur eines widerspricht der Apokalypse: die große Kunst, die schriftstellerische Raffinesse, mit der er sie beschreibt. Sie ironisiert den Untergang, gibt ihm eine ästhetische Leichtigkeit, die ihm in den Köpfen der Leser effizienter entgegenarbeitet als das schönste Modernisierungsprogramm.

Vladimir Makanin: Das Schlupfloch. Übersetzt von Karen Görnitz. Neuer Malik Verlag, 159 Seiten, 29,80 DM.