Sex mit lachenden Greisen

■ „Die schönste Liebesgeschichte...“, Mi., 20.15 Uhr, ARD

Das Altersheim ist ein Straflager. Eine hinterhältig-scheißfreundliche Leiterin führt das Regiment. Und wenn der militante Altenpfleger das Freizeitplansoll mit „Kraft- durch-Freude“-mäßigen, stinklangweiligen Diavorträgen seiner Bergwanderungen füllt, machen einige Senioren schon vorzeitig die Augen zu: no future.

Gute Laune hat nur Schlitzohr Albert. Mit seinem florierenden Sexfotohandel belebt er die Herzen seiner Mitinsassen und füllt nebenbei seine eigenen Taschen. Der große Geschäftsmann, den er raushängen läßt, ist er aber nicht. Wenn Albert die anderen bescheißt, dann ist das auch immer Selbstbeschiß. Daß das Peepshowgirl Jeanette schon in der ersten Szene für Alberts Polaroid die Beine zum Spagat öffnet, ist für das „Tagesschau“-Publikum um 20.15 Uhr schon gewagt. Auch wenn wir das nur von hinten sehen. Ein rauher Wind weht da von Anfang an in Hartmut Schoens Film. Jede Menge „dirty-talk“. Am heftigsten ist schon die Gruppensex-Abschiedsfeier, die Albert in der Peepshow gibt. Sex mit lachenden Greisen ist nicht gerade das Lieblingsthema des bundesdeutschen TV-Zuschauers.

Als der vermeintliche Lottokönig mit der stillen Hermine triumphierend das Heim des Grauens verläßt, um mit der gescheiterten Jeanette und deren Sohn Sebastian in Hermines altes Haus einzuziehen, scheint das Glück perfekt. Schritt für Schritt jedoch erfolgt die Demontage der bürgerlichen Träume. Der Lottogewinn war ein Fake, und Hermines schönes altes Waldcafé wird von der Baggerschaufel gefressen. Als die Dinge nicht mehr so laufen, kehrt Jeanettes Söhnchen ängstlich zurück zur blöden Oma ins Korsett der Sicherheit. Und auch Jeanette kann nur das tun, was sie gelernt hat. Sie läßt sich von einem Typen aufgabeln, bei dem sie vielleicht ein paar Tage unterkommt: „Die schönste Liebesgeschichte des Jahrhunderts“, treffender kann man es nicht sagen.

Eine Hure und zwei Oldies ziehen durch unser schönes Land, in dem sie wahrlich nichts zu lachen haben. Als Müll zwischen Müll drücken Hermine und Albert sich noch ein paar Tage auf Bahnhöfen herum. Die alten Tricks, an ein paar Märker heranzukommen, funktionieren außerhalb des Altersheims nicht. Die Gesellschaft braucht keine Alten.

Es ist kein triumphaler, melodramatischer Abgang, den Hartmut Schoen seinen beiden Protagonisten beschert. Schoen läßt uns keine emotionale Achterbahn fahren. Diskret aber unausweichlich kommt das Ende näher. Mit bedrückender Schlichtheit verkörpern Elfriede Kuzmany und Manfred Steffen diese beiden alten Menschen, die ihr Leben verwirkt haben und eigentlich nie so recht wußten, was mit ihnen geschieht. Fiese, anonyme Naßkälte auf Bahnhofsbänken und abgetakelte Bedienungen in Bierkneipen: Das sind die Stimmungen und Atmosphären, die der Regisseur mit klein wenig Pathos versetzt. Allein die Plausibilität der jeweiligen Szene bewahrt den Film davor zu einer bleischweren „Depro-Nummer“ zu werden. Manfred Riepe