Dennoch begrüßenswert

In Sachen Rushdie: Die iranische Exilschriftstellerin Fahimeh Farsaie zur Schieflage des freien Worts in der islamischen Republik  ■ Von Fahimeh Farsaie

Trotzdem ist es begrüßenswert: Die zwangsläufige und spät gefallene Entscheidung der Messeleitung. Jetzt ist die islamische Republik aus der 43. Frankfurter Buchmesse ausgeladen (und die Buchmessenleitung bedauert immer noch, daß „das geistige Leben“ unter dieser Entscheidung leitet). Die Salamitaktik des Messeleiters und seiner Verteidiger ist gescheitert. Sie haben versucht zu behaupten, nicht der Staat Iran sei zur Buchmesse wieder zugelassen worden, sondern „private Verlage“: Helmut von der Lahr vom 'Börsenblatt‘ greift zornig den Kommentar von Rolf Michaelis in der 'Zeit‘ als eine „journalistische Schande“ an, macht ihm Vorwürfe, „weil sich der Autor nicht einmal die Mühe machte, sich bei der Buchmesse zu informieren“. Da habe er hören können, daß an der diesjährigen Buchmesse nur „eigenständige Verlage“ aus dem Iran teilnehmen. Also sei Herrn von der Lahr hier kurz nachgetragen, worüber er (sich) nicht informierte:

—Der Verlagskonzern Ettelaat wird von einem Mullah namens Hojatolislam Doaie geleitet, der von Khomeini persönlich auf diesen Posten gesetzt worden ist. Der Konzern selbst ist das Eigentum einer staatlichen Einrichtung namens Bonyade Nostazafin (Gemeinde der Habenichtse), der von dem ehemaligen Chef des Passdarans-Ministeriums geführt wird. Die gleichnamige Tageszeitung dieses Konzerns hat mehrmals den Mordaufruf Khomeinis gegen Ruschdie begrüßt und unterstützt.

—Der zweite große Verlag Teherans Amir Kabir ist auch ein staatliches Institut. Er gehört zur „Organisation der islamischen Propaganda“, die von einem der mächtigsten Ayatollahs namens Djanatie geleitet wird.

—Ssorousch (Botenengel) ist das offizielle Organ von „Funk und Fernsehen der islamischen Republik Iran“, den der Bruder des Regierungschefs, Haschemie Rafsandschani, vorsteht.

—Third World Book Service gehört ebenfalls zur Regierung. Seine Hauptaufgabe ist „die islamische Revolution in die Dritte Welt und überallhin zu exportieren“.

Selbstverständlich waren zwei bis drei frisch gebackene, kleine unbekannte Verlage (wie Ney und Zolal) dabei. Das war Bestandteil der Kompromisse zwischen dem Minister für Kultur und islamische Führung, Hodjatolislam Khatamie, und dem Direktor der Frankfurter Buchmesse. Nur unter diesem Deckmantel konnte die islamische Republik überhaupt für die Buchmesse akzeptabel werden. Ein alter Trick. Aber der nutzte nichts, obwohl der Direktor damit seinen „guten Willen“ gezeigt hat: Er wolle den iranischen „Intellektuellen und den von Deutschen ausgebildeten Leuten“ helfen. Er habe mit ihnen gesprochen und sie hätten ihm gesagt: „Ihr (Deutsche) habt uns hier ausgebildet, und nun laßt ihr uns hier hängen, wir sind abgeschnitten vom Weltgeschehen.“ (s. taz vom 27.9.91) (Übrigens der Tenor aller Befürworter, die für die Teilnahme der islamischen Republik an der Buchmesse votierten.)

Aber ging es denn wirklich um die Hilfe für iranische (und nicht islamische) Intellektuelle? Ist nur eine einzige Seite ihrer Werke in den oben genannten Verlagen veröffentlicht? Geht es bei dem „gedanklichen Austausch mit dem Iran“ wirklich um einen Austausch mit „von Deutschen ausgebildeten Intellektuellen“ und auch anderen iranischen Intellektuellen oder um den mit der islamischen Republik?

Als sich Peter Weidhaas im Iran aufhielt, um mit islamischen Verantwortlichen (und nicht mit „eigenständigen Verlagen“) zu verhandeln, wurde eine bekannte Schriftstellerin, Schahrnoosch Parsipour, verhaftet. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe „die islamischen Moralwerte der Gesellschaft“ gefährdet. Es handelte sich um eine ihrer Erzählungen, die Frauen ohne Männer heißt. Es geht darin um fünf Frauen aus unterschiedlichen Schichten, mit verschiedenen Hintergründen, die sich zufällig treffen und entscheiden, ohne Männer weiterzuleben. Eine dieser Figuren verspottet und kritisiert die Sitte der Bewahrung der Jungfräulichkeit. Anscheinend reichte das, um die Autorin zu verhaften.

Ein paar Tage später wurde die Redaktion einer monatlichen, engagierten Kulturzeitschrift namens 'Gardoon‘ (Der Himmel) von „einigen Müttern der Märtyrer der Revolution“ angegriffen. Alles in der Redaktion wurde zerstört. Der Anlaß war eine Zeichnung auf dem Umschlag der Zeitung: Eine mit schwarzem Tschador bedeckte, auf dem Boden liegende Frau hinter Gittern, über ihr fliegt ein Flugzeug in einen sonnigen klaren Himmel, ein paar Menschen hängen an seinen Flügeln. Die Zeichnung bezog sich auf einen Artikel über das Exil.

Vor wenigen Wochen wurden alle Exemplare einer monatlichen Literaturzeitung namens 'Behtarinha‘ (Die Besten) aus den Kiosken und Zeitungsständen aller Städte geräumt, weil in jener Ausgabe eine Rezension über ein offiziell erschienenes und vertriebenes Buch gedruckt worden war.

Solche Ereignisse gehören zum alltäglichen Kulturgeschehen der islamischen Republik. Könnten Peter Weidhaas und seine „Verbündeten, auch wenn sie wollten, es den in ihrer Freiheit, ihrem Leben bedrohten Intellektuellen überhaupt ermöglichen, mittels staatlicher Verlage am „Weltgeschehen“ teilzunehmen, um sich nicht mehr „abgeschnitten“ zu fühlen?

Sie hätten eher das Gegenteil erreicht. Denn die islamische Republik hätte ihre Teilnahme als eine internationale Anerkennung ausgelegt, hätte das als Bestätigung ihrer Kulturpolitik, als Resignation der „westlichen Welt“ vor ihrer unumstrittenen Macht dargestellt. Das gibt natürlich den islamischen Politikern die Möglichkeit, mehr Druck auf die kulturelle Szene auszuüben, die Intellektuellen stärker einzuschränken und jede Gegenstimme im Keim zu ersticken. Auch für die Situation der im Exil lebenden Iraner hätte das Folgen: Seit dem Gespräch zwischen dem iranischen und dem deutschen Außenminister ist überall in den hiesigen Medien die Rede von der „Normalisierung“, „Liberalisierung“ und „Lockerung“ der Situation im Iran. Die Exiliranner werden immer wieder aufgefordert, in den Iran zurückzukehren, weil dort angeblich keine „Gefahr mehr für ihr Leben, ihren Leib und ihre Freiheit“ bestehe. Von Asylantragstellern wird sogar verlangt, ihr „Vergehen zu bereuen“, um ohne Angst im Iran friedlich weiterleben zu können. Anscheinend sind diese „demokratischen Veränderungen in unserer Gesellschaft“ von den Deutschen und ihren Milliardengeschäften mit dem Iran verursacht und „entdeckt“ worden. Da auf der wirtschaftlichen Ebene also schon wieder alles ins beste Licht gerückt scheint, sollte durch die Teilnahme des Iran an der Buchmesse die kulturelle Seite der Beziehungen zwischen Iran und Deutschland „normalisiert“ werden. Daraus wurde nun nichts. Der Iran hat im Gegenzug nun den deutschen Verlagen die Teilnahme an der diesjährigen Buchmesse untersagt. Der stellvertretende iranische Kulturminister, Sabab Zanganeh, wußte die Messeleitung aufs originellste in Schutz zu nehmen: Schuld sei „zionistischer Druck“

Fahimeh Farsaie ist iranische Schriftstellerin und Journalistin. Seit 1983 lebt sie in der BRD im Exil. Bis jetzt sind zwei Bücher von ihr im Dipa Verlag Frankfurt erschienen: Die gläserne Heimat und Vergiftete Zeit.