Niemand mag Sloweniens Tolar

Die neue Nationalwährung vergräzt Österreich/ Außerdem verlieren die neuen Bons täglich an Wert  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Noch gibt es ihn nur auf Bons, den slowenischen Tolar (Taler), und schon sorgt er für Wirbel. Nicht nur im zusammenbrechenden Vielvölkerstaat Jugoslawien wird die neue Währung nicht anerkannt — wie umgekehrt der Dinar seit Mittwoch keine Gültigkeit mehr in Slowenien besitzt —, sondern auch die Österreicher sind tief bestürzt über die Banknoten aus Ljubljana.

Der Grund dafür ist ein historisches Relikt, der sogenannte Fürstenstein von Karnburg aus Kärnten, dessen Abbild sich links unten auf allen Tolarscheinen wiederfindet. Wer weit zurück geht in die Geschichte, noch vor das Jahr 976, der stößt auf ein slowenisches Herzogentum Karantanien. Doch schon danach war der Stein, ein erhalten gebliebenes Kapitel einer römisch-ionischen Säule, Wahrzeichen des deutschsprachigen Herzogtums Kärnten. Österreichs Warnung — selbst die Grün-Alternativen schließen sich der Meinung der bürgerlichen Parteien an — an die Adresse Ljubljanas ist eindeutig: Einen solch „geschmacklosen“ Tolar werde man als Zahlungsmittel schwerlich anerkennen können.

Läßt sich diese Unstimmigkeit wohl noch aus dem Weg räumen, so nicht die anderen Probleme. Ähnlich wie die internationale Staatengemeinschaft den Staat Slowenien völkerrechtlich nicht anerkennen will, so Währungsfond und Weltbank nicht den Tolar. Beide Institutionen wollen sich zudem keinesfalls für Kredite verbürgen. Doch ohne eine Finanzspritze von mindestens vier Milliarden Dollar kommt ein slowenischer Staat wirtschaftlich überhaupt nicht auf die Beine. So sagen Optimisten. Pessimistische Bankiers sprechen von einer weit größeren Summe, da der Staat südlich der Alpen nicht einmal über Währungsreserven von einer halben Millarde Dollar verfügt.

Im Alltag zeigt sich das Währungsdisaster schon beim Einkauf. In den slowenischen Geschäften werden keine Dinar mehr angenommen. Doch Tolarbons auch nur in kleinen Mengen. Alles, was über Lebensmitteleinkäufe hinausgeht, muß mit Devisen beglichen werden, deren Wert auf dem Schwarzmarkt derzeit rapide steigt. Denn niemand traut den Bons. Zum einen sind sie leicht zu fälschen, zum anderen sind sie allen Beteuerungen zum Trotz noch immer stark an den jugoslawischen Markt und Dinar gekoppelt. Und beides bricht angesichts des Krieges in Kroatien zusammen.

Die gesamtjugoslawische Produktion fiel im ersten Halbjahr um ein Drittel, die galoppierende Inflationsrate durchbricht die 130-Prozent-Marke. Der Vizepräsident der Nationalbank, Branko Dragas, hält bis Jahresende eine Geldentwertung von 2.500 Prozent nicht mehr für ausgeschlossen.

Keine Republik gibt mehr an den jugoslawischen Bund Steuern ab, keine Seite hält sich an Preisabsprachen und Lieferverträge. Die einzelnen Republiksregierungen gingen sogar soweit, Firmen zu „rauben“. Selbst Joint-ventures wie Renault blieben davon nicht verschont. Liegt das Hauptwerk in Slowenien, so wurden Zweigwerke in Serbien ohne Absprache einfach „verstaatlicht“ und die Ersatzteillieferung nach Nordjugoslawien eingestellt.

So stehen nicht nur im slowenischen Renault-Werk mehr und mehr Maschinen still, auch für andere slowenische Fertigprodukte finden sich keine Abnehmer. Zum eimem erfüllen sie auf dem westlichen Markt nicht die Qualitätsnormen, zum anderen auf dem jugoslawischen keinen Käuferabsatz. Denn Jugoslawien ist nun auch ein Land der unterbrochenen Handelswege und Kommunikationen.

Das Telefonieren kann man neuerdings gleich bleibenlassen. Hat doch Kroatien alle Telefonverbindungen, soweit sie vom Süden Richtung Westeuropa gehen, unterbrochen. Der durchsichtige Vorwand heißt Kabelschaden bei der seit Wochen heftig umkämpften Stadt Okucani. Beraubter Dritter dabei: Bulgarien, dessen Auslandsleitungen bei Okucani gleich mitgekappt wurden.

Zudem ist die wichtigste Nord- Süd-Route des Balkans, der jugoslawische „Autoput der Brüderlichkeit und Einheit“ für den Fernverkehr zum Risikofaktor geworden und zeitweilig auch geschlossen. Fernzüge von Wien in die Türkei und Griechenland verkehren eh nur noch über Budapest. Auf jugoslawischen Gleisen stehen unterdessen 20.000 Güterwaggons still.

Was als einziges noch ungehindert fließt, ist elektrischer Strom. Den würden serbische Politiker am liebsten auf der Stelle unterbrechen, da Kroatien den Ölhahn zugedreht hat, und in Belgrad kaum noch Treibstoff getankt werden kann. Doch das Problem dabei: Serbische Energie fließt über Kroatien in großen Mengen nach Österreich und in die Schweiz. Auf diesen letzten Exportschlager kann Serbien schwer verzichten — selbst wenn der kroatische Feind Nutznießer davon bleibt.