Geld stinkt nicht — aber der 'Stern‘ tut's

■ taz-täglich unsere Kolumne zur Frankfurter Buchmesse/ Heute: Über die Spuren eines 'Stern‘-Reporters

Frankfurt (taz) — Das Leben ist wie immer anderswo. Die Frauen sind wie immer schöner als die Männer, und der allgemeine Verfall der Geselligkeit wird ebenso beklagt. Nicht einmal das 'Titanic‘-Fest führte zum kollektiven Rausch, und die Besucher am taz-Stand wundern sich vor allem, daß wir überhaupt noch da sind. Aus Mangel an anderen Sensationen wird vor allem die des 'Stern‘-Autors Sven Michaelsen beklagt. Der Erforscher des Geistes im Exil hat den Bestsellerautor Patrick Süskind auf seiner südfranzösischen Terasse aufgespürt und es zuwege gebracht, ihn vom gegenüberliegenden Hügel aus mittels Teleobjektiv so präzise zu erfassen, daß er beschreiben konnte, wie dem Objekt der journalistischen Begierde die Schweißtropfen die Hemdbrust befeuchteten. Es wird ja nicht ohne Gewinn zur Kenntnis genommen, daß der Autor des „Parfüm“ in Tat und Wahrheit über Schweißdrüsen verfügt, wenn nicht gebietet, und — wie unser Spürhund ausgeschnüffelt hat — auch einen als „milde“ bestimmten Körpergeruch nun nicht mehr sein eigen nennen kann. Und man sieht bei solcherlei Recherche ja auch gern davon ab, daß Michaelsen, der offenbar Schwierigkeiten hat, vollständige Sätze zu bilden, sich zugleich als Literaturkritiker der Neuerscheinung Süskinds betätigt („mal anrührend und lebensklug, dann wieder matt und belanglos“) und die Erzählung mit der Realität umstandslos gleichsetzt, um sein Fotoobjekt zu charakterisieren: So hat Süskind seine Millionen keineswegs mit Literatur verdient, sondern mit „Morden an minderjährigen Mädchen“. Daraus wird Herr Michaelsen flugs gelernt haben: Wenn mit Mord viel Geld zu verdienen ist, dann wird sich wohl auch der Rufmord lohnen. Leider ist Herr Süskind nicht mehr minderjährig, und so ist zu hoffen, daß er sich zu helfen wissen wird. Adressenwechsel ist vonnöten, weil der 'Stern‘ stolz bekannt gab, an welchen drei Orten der Welt Herr Süskind sich aufzuhalten pflegt: „Der 42jährige Schriftsteller versucht, sein Inkognito zu wahren.“ Tja, da hat er nun Pech gehabt. Wir wissen nicht, wo Herr Michaelsen wohnt und wie er sich eingerichtet hat. Wir wissen nichts über seine Statur und seinen Geruch und welche geheime Leidenschaft ihm hier die Feder geführt hat. Empfohlen hat er sich aufs Beste den Zeitungen 'Bild‘ und 'Super‘, die solcherart Literaturkritik sicher gern von ihm dort fortgesetzt sehen möchten; fraglich ist nur, wer die per Duftmarke bestimmte Leerstelle Michaelsen beim 'Stern‘ denn aufnehmen wird. Die Autorin dieser Zeilen, selbst Gegenstand einer detailreichen Enthüllung im 'Journal Frankfurt‘ geworden, in der sich wahre und falsche Kleinigkeiten die Ärmchen reichen (und die übermorgen auf den Kulturseiten eine Richtigstellung erfährt), empfiehlt eine Abwerbung von dorten. Elke Schmitter