...die Demokraten schauen tatenlos zu

■ Zur Ernennung von Clarence Thomas zum Obersten Richter der USA

...die Demokraten schauen tatenlos zu Zur Ernennung von Clarence Thomas zum Obersten Richter der USA

Die Vereinigten Staaten haben auch weiterhin einen schwarzen Richter im Obersten Gericht. Der aus Altersgründen zurückgetretene liberale Bürgerrechtler Thurgood Marshall ist durch den erst 43jährigen Richter Clarence Thomas ersetzt worden, der lebenslänglich Recht sprechen wird. Aufgrund der bedeutenden Rolle, die das Oberste Gericht in den USA in (sozial-)politischen Grundsatzfragen spielt, wird Justice Thomas mehr Einfluß auf die Geschicke von Millionen Amerikanern haben als Präsident Bush.

Doch hätte er keine schwarze Hautfarbe, der neue Verfassungsrichter wäre aufgrund seiner geringen juristischen Erfahrung und Qualifikation nicht in die engere Auswahl für das höchste Richteramt gekommen. Mit seiner Nominierung hatte Präsident Bush die sogenannte „race card“, den Schwarzen Peter, für die Demokratische Partei gespielt. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von schwarzen Wählerstimmen konnten sich die demokratischen Senatoren nicht zu einer Ablehnung gegen einen schwarzen Richterkandidaten durchringen, auch wenn dieser die konservative Mehrheit im Obersten Gericht nun auf 6:3 Stimmen hochschraubt.

Selbst die schweren und durchaus glaubwürdigen Anschuldigungen der sexuellen Belästigung einer ehemaligen Mitarbeiterin von Thomas konnten die demokratischen Senatoren aus den Südstaaten nicht gegen ihn aufbringen. Hatte doch Thomas in den dramatischen Hearings — ob auf Rat des Weißen Hauses oder nicht — seine Hautfarbe ins Spiel gebracht. Seine Anhörung sei das „High- Tech-Lynching eines aufstrebenden Schwarzen“. Von da an war für die Demokraten ein härteres Anfassen des Beschuldigten tabu.

Die Art und Weise, in der Clarence Thomas auf die Richterbank gerutscht ist, erklärt einiges über den pathologischen Zustand des politischen Systems. „Rasse“ (race) ist in der amerikanischen Politik schon lange keine moralisch eindeutige Kategorie mehr. Hautfarbe ist heute ein von konservativer Seite jederzeit einsetzbares politisches Instrument zur Einbindung oder auch Spaltung von Minderheiten oder zur Schaffung von Ressentiments in der Mehrheit. Ob Präsidentschaftswahlen, Steuerdebatten, Kriminalitätsbekämpfung, Sozialpolitik oder nun bei der Ernennung eines Verfassungsrichters; der wirkliche und emotionale Hintergrund des politischen Diskurses ist fast immer die Dimension der Hautfarbe. Sehr zum Schaden der Demokraten. Denn das Schwarz-Weiß-Schisma war der entscheidende Grundstein der republikanischen Mehrheit und dominierte die amerikanische Politik von Nixons Präsidentschaft (1968) bis zur Wahl George Bushs zwanzig Jahre später.

Wenn die Ernennung von Clarence Thomas mit den Stimmen einiger Südstaaten-Demokraten jetzt eines gezeigt hat, dann die erschreckende Schwäche und Hilflosigkeit der Demokratischen Partei im politischen Umgang hiermit. Und ihre Unfähigkeit, einen neuen, farbblinden Liberalismus zu definieren — trotz aller Versuche des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Jesse Jackson, eine solche „Regenbogen-Koalition“ aufzubauen. Die republikanische Hegemonie im Wahljahr 1992 ist so unangefochten wie selten zuvor.

Die Opposition hingegen scheint von einer demokratischen Mehrheitskoalition bei den Präsidentschaftswahlen so weit entfernt, wie die Afroamerikaner ein Vierteljahrhundert nach den Bürgerrechtsgesetzen von ihrer wirtschaftlichen und sozialen Gleichberechtigung. Mit Richter Thomas — und seiner bekannten Abneigung gegen liberale Lobbygruppen, gegen Antidiskriminierungsgesetze und gegen die Abtreibungsfreiheit — dürfte der Rückschlag gegen die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung eher noch weitergehen. Und die Demokraten werden dem tatenlos zuschauen. Rolf Paasch, Washington