Militärpolitik für EG-Zusammenhalt

■ Gebremste Zustimmung in Europas Hauptstädten zu der Armeekorps-Initiative

Kriege, so mögen die Strategen in Bonn und Paris analysieren, bedrohen den europäischen Einigungsprozeß. Denn warum läge es sonst nahe, eine gemeinsame Militärpolitik vorzuschlagen, um die EG zusammenzuhalten, nachdem sich die wirtschaftlichen und politischen Klammern als zu schwach erweisen? Denn stärker noch als der „Wüstensturm“ letzten Winter hat der Krieg in Jugoslawien im Gefolge des Niedergangs des sowjetischen Imperiums die Fundamente des EG-Konstrukts erschüttert.

Das Interesse an „der Integration eines freien Deutschlands in ein geeintes Europa“, wie es Bundeskanzler Kohl und seinem französischen Kollegen Mitterrand vorschwebt, wird nicht mehr von allen EG-Regierungen in gleichem Maße geteilt. Ob sie mit der neuen Initiative allerdings ihren Traum retten können, wird sich in den nächsten Tagen erweisen. Allerdings kam gestern bereits verhaltene Zustimmung von den EG-Partnern. Das EG-Präsidium, so der Niederländer und Ratsvorsitzende van den Broek, unterstütze „das Prinzip des deutsch-französischen Vorschlags“. Zustimmung kam umgegehend aus Madrid, und auch der belgische Außenminister Eyskens begrüßte den Vorstoß. Sein italienischer Kollege de Michelis nannte den Vorschlag immerhin eine „gute Basis“.

Die Chancen stehen also nicht schlecht, trotz der Zerwürfnisse, die in den letzten Wochen vor allem zwischen Bundesaußenminister Genscher und seinem holländischen Kollegen van den Broek auftraten. Denn um eine weitere Eskalation der Auseinandersetzungen auf Ebene der Außenminister zu vermeiden, haben Kohl und Mitterrand die Debatte über die politische Union inzwischen zur Chefsache erklärt. Weil, so Kohl, jetzt die Stunde Europas gekommen sei, werde er sich persönlich dafür einsetzen, daß bis zum EG- Gipfel in Maastricht Anfang Dezember, wo parallel zur Wirtschafts- und Währungsunion die politische Union mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik beschlossen werden soll, Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Unterstützt wird er dabei auch von seinem holländischen Kollegen Lubbers, der in der Frage der künftigen Sicherheitspolitik der EG eine moderatere Position vertritt als sein Außenminister van den Broek. Stärker noch als die britische Regierung hatte sich der niederländische Außenminister bislang gegen die deutsch-französischen Pläne gewehrt, die Westeuropäische Union (WEU) in die Politische Union der Gemeinschaft zu integrieren.

Das westeuropäische Verteidigungsbündnis wurde 1954 gegründet. Mitglieder der WEU sind alle Mitgliedsstaaten der EG außer Dänemark, Griechenland und Irland, ihre Organe der Ministerrat und die Parlamentarische Versammlung. In Paris gibt es zudem ein WEU-Amt für Rüstungskontrolle. Van den Broek sieht in der WEU eine Konkurrenzorganisation zur Nato, die den Einfluß der USA in Europa reduzieren helfen soll. Für ihn ist aus historischen Gründen die atlantische Allianz für die europäische Sicherheit unverzichtbar. Michael Bullard/Brüssel