»Die ‘Republikaner‚ waren die einzigen, die uns halfen«

■ Der Vater des getöteten »Republikaner«-Anhängers, Rene G., bemühte sich in dem Prozeß gegen den Türken Ayhan Ö. zunächst um Fairneß

Moabit. »Die einzigen, die uns in unserer Not geholfen haben, waren die ‘Republikaner‚. Zeigen Sie uns durch Ihren Urteilsspruch, daß wir uns geirrt haben«, hatte sich der Vater des getöteten »Republikaners« Rene G. am Mittwoch im Prozeß gegen Ayhan Ö. wenige Stunden vor der Urteilsverkündung an die 28. Strafkammer des Landgerichts gewandt. In den Worten des Mannes, dessen Sohn im vergangenen November durch einen Messerstich von Ayhan Ö. ums Leben gekommen war, schwang kein spürbarer Haß auf Ausländer mit, wie man es von einem Anhänger der »Republikaner« vielleicht erwartet hätte.

Der etwa 45 Jahre alte Detlev G., von Beruf Justizangestellter, ist ein einfacher Mann. Der Tod seines 21jährigen Sohnes, dem zweiten von insgesamt vier Kindern, hat ihn schwer getroffen. Der Mann war im Herbst 1989 mit seiner Familie kurz vor der Wende mit einem Besuchervisum von Ost-Berlin in den Westteil der Stadt ausgereist. Die Famile war dem Sohn Rene nachgefolgt, der kurz zuvor als Mitbesetzer der deutschen Botschaft in Prag freie Ausreise in den Westen erhalten hatte und hier sogleich den »Republikanern« beigetreten war. Nachdem Rene G. im vergangenen November, als er und seine Freunde den Türken Ayhan Ö. in der S-Bahn angegriffen hatten, von diesem getötet worden war, wurden seine Eltern ebenfalls Parteimitglieder der REPs. Sein Vater, der eigenen Bekundungen zufolge aus »einem sozialdemokratischen Elternhaus« kommt, begründete diesen Schritt damit, die »Republikaner« seien damals die einzigen gewesen, die »ehrlichen Anteil« an dem Verlust des Sohnes genommen hätten. Als der der Wahlkampf auf Hochtouren lief, hatte sich sogar der Bundesvorsitzende Franz Schönhuber zur Beerdigung angesagt, war dann aber doch nicht gekommen. Dafür schlachtete der damalige Berliner Landesvorsitzende Carsten Pagel, der die Eltern im Prozeß auch als Nebenkläger vertrat, den Tod des jungen Mannes aus. Bei einer Rede im Abgeordnetenhaus trug Pagel eine schwarze Trauerbinde am Arm und warf dem amtierenden rot-grünen Senat eine »mörderische Ausländerpolitik« vor.

Der Gedanke, daß die Familie von den REPs funktionalisiert worden sei, ist Detlev G. auch schon gekommen. »Das wird schon ein bißchen so sein«, gab er zu. »Aber das ist doch eigentlich eine ganz ordentliche Partei, wenn der Schönhuber endlich abtritt.« Der Tod seines Sohnes und die sozialen Mißstände in den neuen fünf Bundesländern hätten seine politische Einstellung im Laufe der Zeit verändert. Trotz seiner ursprünglich sozialdemokratischen Gesinnung begreife er sich heute als eher konservativ, sagte der Mann und bemühte als Begründung für seine »Wende« ein Zitat von Wolf Biermann: »Nur wer sich verändert, bleibt sich treu.«

Den fünftägigen Prozeß verfolgte Detlev G. neben seiner Frau und Tochter, die sich auf der Nebenklägerbank abwechselten. Wenn er aufsah, blickte er dem Angeklagten Ayhan Ö. ins Gesicht, der ihm gegenübersaß. Was dabei ihn ihm vorging, ließ sich der Vater nicht anmerken. Auch zum Schluß, als er sich zu seinem Plädoyer erhob, war der Vater des Getöteten um Fairneß bemüht: Er habe Verständnis für die Lage des Angeklagten, der »irgendwo auch ein Opfer« sei. Schließlich habe sich Ayhan Ö., der als fünfjähriger nach Deutschland gekommen war, sein Land nicht aussuchen können, »in dem, die Ausländerfeindlichkeit ständig zunimmt«. Auch daß der entscheidende Angriff in der S-Bahn von der Gruppe der Deutschen ausging, war der Vater bereit, in aller Sachlichkeit festzustellen. Aber daß sein Sohn daran beteiligt gewesen war, konnte und wollte er nicht wahrhaben. Rene habe helfen und schlichten wollen, so wie es schon immer seine Art gewesen sei, sagte er. Doch statt dies zu erkennen, habe Ayhan Ö. Renes Tod »vorsätzlich herbeigeführt«. Am Ende seiner Rede, bei der dem Mann die innere Bewegtheit deutlich anzumerken war, zitierte er eine Sure aus dem Koran über Allah und das Unrecht und die Inschrift auf dem Grabstein seines Sohnes: »Wie einfach ist es, dem Herzen das Liebste zu nehmen.«

Stunden später, als das Gericht den Freispruch für Ayhan Ö. verkündete, verlor der Vater dann doch die Fassung: »Auf ein Neues, auf ein Neues«, schleuderte er dem Angeklagten entgegen. Und an Ayhan Ö.s Verteidiger gewandt: »Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was die Türkenbanden bei uns im Märkischen Viertel machen.« Bleibt zu befürchten, daß er weiter an den »Republikanern« festhalten wird. plu