„Lange Leitung“ für Siemens

■ Prosteskundgebung der Siemens-Brennelementewerker vor dem hessischen Umweltministerium/ Strom für Kundgebung aus dem Hause Fischer

Frankfurt/Main (taz) — Am Montag wollen die Brennelementewerker aus dem Hause Siemens demonstrieren — für den Erhalt ihrer strahlenden Arbeitsplätze im hessischen Hanau und gegen den hessischen Umwelt- und Energieminister Joschka Fischer, der ihnen bereits im Juni die Atombude dicht gemacht hatte. Die Stillegungsverfügung des grünen Ministers nach diversen Störfällen betrifft den Betriebsteil Mischoxidfertigung. Dort wurden plutoniumhaltige Brennelemente für den Einsatz in Leichtwasserreaktoren im In- und Ausland hergestellt.

Um den Druck auf die austiegswillige rot-grüne Landesregierung in Wiesbaden zu verstärken, hatte die Weltfirma Siemens bereits in der vergangenen Woche ihren Werktätigen Kurzarbeit angedroht. „Unverhältnismäßig und rechtswidrig“ sei diese Stillegung.

Arm in Arm mit der Werksleitung hat jetzt der Betriebsrat die Mitarbeiter des Brennelementewerks zum montäglichen Massenprotest auf die Straße agitiert — auf die Mainzer Straße in Wiesbaden vor das Umweltministerium. Dem Ministerpräsidenten soll schon heute eine Petition der „aufgebrachten Belegschaft“ übergeben werden. Daß die Protestler bei der Durchführung der geplanten Kundgebung auf das „goodwill“ ihres ministeriellen Kontrahenten angewiesen sind, sei allerdings einer der berühmt-berüchtigten „Treppenwitze der Geschichte“, wie Fischers Pressesprecher Georg Dick amüsiert anmerkte.

Die Demonstranten aus dem Hause Siemens brauchen nämlich den Strom aus dem Hause Fischer, um die Lautsprecheranlage in Gang bringen zu können. Eine entsprechende Bittschrift der Betriebsräte ging gestern im Ministerium ein — und der Ex-Demonstrant Fischer gewährte großzügig Saft aus der vom AKW-Biblis gespeicherten Ministersteckdose: lange Leitung für Siemens.

Für Eduard Bernhard vom BBU ist die geplante Demonstration eine „makabre Veranstaltung“. Bernhard: „Wo waren denn die Betriebsräte, als Mitarbeiter in den Brennelementewerken jahrelang radioaktiv verseucht und mit hochgiftigem Plutonium kontaminiert wurden?“ Klaus-Peter Klingelschmitt