Plutonium—Beerdigung zweiter Klasse

■ Bayern: Umweltministerium setzt Genehmigungsverfahren für den Einsatz von MOX-Brennelementen im AKW Gundremmingen aus/ Streit zwischen Ministerium und AKW-Betreibern

Gundremmingen/München (taz) Den Stein ins Rollen brachte im Frühjahr die eher beiläufig angekündigte amtliche Bekanntmachung des bayrischen Umweltministeriums, daß ein Anhörungsverfahren im Zusammenhang mit dem Einsatz von sogenannten MOX-Brennelementen eingeleitet wird.

In Gundremmingen sollte statt der normalen Uranbrennstäbe künftig Mischoxid-Brennelemente aus Plutonium und Uran den Reaktor anheizen. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. „Das Gefährliche an den MOX-Brennstäben ist unter anderem, daß das radioaktive Plutoniuminventar verdoppelt wird, und Störfälle werden weitaus schwerer zu beherrschen“, hatte im April der Referent für Energiefragen bei den bayerischen Grünen, der Physiker Karl Ammansberger gewarnt. Auch ein Sprecher der als atomfreundlich geltenden Internationalen Atomenergie Agentur in Wien bestätigte, daß der Einsatz von MOX-Brennelementen in Siedewasserreaktoren wie in Gundremmingen, Brunsbüttel oder Ohu noch nie großflächig getestet wurde. Als 40.000 Einwendungen aus ganz Deutschland beim Umweltministerium eingegangen waren, da verschob das bayrische Umweltministerium den geplanten öffentlichen Erörterungstermin.

Der inzwischen für seine ungewöhnlichen Aktionen bekannte Umweltminister Peter Gauweiler überraschte Parteifreunde und Kritiker gleichermaßen, als er Mitte dieser Woche eine knappe Erklärung verbreiten ließ:„ Das Bayerische Umweltministerium setzt atomrechtliches Genehmigungsverfahren für den Einsatz von MOX-Brennelementen im Kernkraftwerk Gundremmingen bis auf weiteres nicht fort.“ Als Grund wurden „administrative Probleme“ bei der Fertigstellung des neuen Brennelementewerkes in Hanau angegeben. Die Betreiberfirmen von Gundremmingen, RWE und Bayernwerk, haben — laut Umweltministerium — selbst die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Offensichtlich habe Umweltminister Gauweiler die erheblichen Probleme des Alkem-Nukem-Nachfolgers Siemens aus jüngster Zeit genutzt, um den MOX-Elementen „ein Begräbnis zweiter Klasse, so wie das damals bei der WAA war“, zu verschaffen, mutmaßt der Grüne Landtagsabgeordnete Raimund Kamm. Nach den jüngsten Unfällen und der damit verbundenen Plutoniumfreisetzung in Hanau war allerdings bereits die Rede davon, daß diese neuen Schlampereien in Hessen den Einsatz von plutoniumhaltigen Brennelementen nicht gerade fördern würden, tatsächlich werden dort nach wie vor — in der mit einer umstrittenen alten Genehmigung aufrechterhaltenen Anlage — atomare Brennelemente produziert. Ab 1992 sollte eine neue, 650 Millionen Mark teure Anlage in Betrieb gehen und fortan das Vierfache an MOX-Brennstäben produzieren.

Hintergrund dafür ist ganz offensichtlich die Plutonium-Rücknahmepflicht der deutschen AKW-Betreiber gegenüber den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague und in Schottland. Daß durch die Verarbeitung zu MOX-Brennelementen tatsächlich der Plutoniumberg nennenswert abgebaut werden kann, bezweifeln inzwischen offensichtlich sogar die AKW-Betreiber selbst. Und sie wissen um die enormen Kosten dieser Brennstäbe, auch wenn sie konkrete Summen nicht nennen wollen.

Inzwischen hat sich ein heftiger Streit zwischen dem bayerischen Umweltministerium und den Betreibern des Atomkraftwerks in Gundremmingen entzündet. Die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) und die Bayernwerk AG dementierten, daß die Entscheidung zur Aussetzung des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens „im Einvernehmen mit den Antragstellern“ gefallen sei. „RWE und Bayernwerk AG erklären, daß sie weiterhin auf die Fortssetzung des Verfahrens bestehen und der Einsatz von Mischoxid-Brennelementen unverändert als sinnvoll und notwendig erachtet wird“, heißt es in der Erklärung der Bayernwerk AG. Das bayrische Umweltministerium reagierte promp mit einer neuerlichen Presseerklärung, in der auf zwei Besprechungen „mit allen Vertretern der Antragsteller“ Bezug genommen wird. Dabei sei deutlich gemacht worden, daß erhebliche technische und administrative Probleme die Fertigstellung der MOX- Brennelemente bei der Siemens AG „erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen“.

Noch am Donnerstag hat sich dann das Bundesumweltministerium eingeschaltet und die Kollegen in Bayern aufgefordert, bis Freitag einen Sachstandsbericht abzugeben. „Da wird im wesentlichen das drinstehen, was wir bereits in unseren beiden Presseeerklärungen geschrieben haben“, sagte der Pressesprecher des Ministeriums, Günter Graß, gegenüber der taz Politische Brisanz erhält der ganze Vorgang zudem dadurch, daß der Freistaat an der Bayernwerk AG die Mehrheit hält und neben dem Ministerpräsidenten Max Streibl auch Wirtschaftsminister August Lang im Aufsichtsrat sitzt. Zumindest von Lang wiederum ist bekannt, daß er kein besonders inniges Verhältnis zu Umweltminister Gauweiler hat. Auch auf höchster Ebene wird inzwischen hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, ob es sich bei alldem nicht nur um ein kräftig inszeniertes Rückzugsgefecht der Stromerzeuger handelt, die ja ihren Aktionären sehr wohl erklären müssen, wieso bereits erhebliche Summen für die umstrittene MOX-Produktion womöglich in den Sand gesetzt wurden. Klaus Wittmann