PORTRAIT
: Der Mähdrescher des Teufels

■ Ein deutscher Prediger löst einen blutigen Religionskonflikt in Nigeria aus/ Seit Jahren erntet er Seelen in Afrika

Berlin (taz) — Er will „die Hölle plündern — den Himmel bevölkern“. Sein letzter Kreuzzug endete mit Mord und Totschlag. Mehr als 300 Menschen sollen in dieser Woche in der nigerianischen Stadt Kano umgekommen sein. Auslöser der blutigen Kämpfe zwischen Moslems und Christen: Pastor Reinhard Bonnke, der in Kano predigen wollte. Einem südafrikanischen Imam war kurz der Auftritt verboten worden. Seine Glaubensbrüder — Kano ist Zentrum des moslemisch geprägten Nordens Nigerias — fühlten sich provoziert. 12.000 gingen am Montag gegen den Evangelisten auf die Straße. In der Nacht zum Mittwoch brannten eine Kirche und eine Moschee, 43 Geschäfte und 34 Häuser. Am Donnerstag griff die Armee ein.

„Du wirst eines Tages Missionar in Afrika sein!“ verkündet eine innere Stimme dem zehnjährigen Reinhard Bonnke. Der Sohn eines pfingstkirchlichen Predigers, 1940 in Ostpreußen geboren, erhört sie. Ausbildung auf einer englischen Bibelschule, Ordination als freikirchlicher Geistlicher, Predigtdienst, Gemeindearbeit. 1967 verläßt Bonnke das schleswig-holsteinische Glückstadt und geht „Seelen ernten“ in Südafrika.

Zuerst predigte er nur den Lehmhütten, einige Jahre später füllt er mit seinem „Halleluja“ Fußballstadien. Ganz Afrika wird zum Missionsfeld. Von Kapstadt bis Kairo macht er sich auf die „Suche nach Seelen, für die Jesus starb“. Er gründet ein eigenes Missionswerk, „Christus für alle Nationen“ (CfaN), das eifrig Spenden sammelt. Mit 120 Leuten, 19 schweren Lastern und einem Zelt, in dem 34.000 Menschen sich seine ekstatischen Bekenntnisse anhören können, zieht er durch die Gegend.

Der pausbäckige Mann kreischt und flüstert auf der Bühne, tobt mit dem Mikro in der Hand hin und her, brüllt auf englisch: „Die Antwort ist Jesus!“ und „Ich gehe aufs Ganze — mit Gott“ und noch einmal: „Halleluja!“ Die Menge ist elektrisiert. Lahme schleppen sich auf die Bühne und verlassen sie sehend; Blinde werden nach Segnungen Bonnkes gehend. Bescheiden ruft der Pfingstler der Menge zu: „Ich bin nicht der Heiler, der Heiler ist Jesus Christus! Ich bin Reinhard Bonnke — ich bin nicht Jesus!“

Sein Missionsunternehmen setzt Millionen um, über die er nicht gerne spricht. („Ich bin Gehaltsempfänger. Die Mission gehört mir nicht.“) Im Oktober 1990 sammelt er in Kaduna/Nigeria 500.000 Menschen bei einer einzigen „Show für Gott“; 1,6 Millionen Gläubige an sechs Tagen. Den „Billy Graham Afrikas“ nennen ihn seine Anhänger, den „Mähdrescher Gottes“.

„Ich verbrachte ein sehr schmerzliches und aufregendes Jahr mit Pastor Bonnke“, schreibt der derzeitige Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates in seiner Autobiographie. Ein Jahr war Frank Chikane persönlicher Referent Bonnkes in Südafrika. Er trennte sich von ihm, weil Bonnke mit seinem unpolitischen Evangelium den politischen Status quo predigt. „Bischof Tutu soll ruhig weitertuten“, so Bonnke über den südafrikanischen Nobelpreisträger. Ein „guter alter Freund“ ist Bonnke für Kenias Staatspräsidenten Daniel Arap Moi.

1986 hat Bonnke eine neue Vision. Jetzt will er auch Europa und Deutschland — „Die Antwort für unsere Bundesrepublik liegt in Jesus Christus!“ — heimführen. Die Seelendresche wird seitdem von einem 2,4 Millionen teuren Betonklotz in Frankfurt-Seckbach organisiert. Die evangelische Kirche kritisiert den „Wunderprediger“ und „Heilsversprecher“ — aber verhalten. Im Herbst 1990 zeigt das 'Mitteilungsblatt des Arbeitskreises christlicher Publizisten‘ Bonnke auf einem Foto mit Verteidigungsminister Stoltenberg. Dieselbe Zeitschrift spricht von guten Kontakten des Evangelisten zum Bundeskanzleramt und verschiedenen Ministern.

Der Nationalrat der Kirchen Kenias bezeichnet Bonnke als „Unruhestifter“. Für das Blutbad in Kano sei er allein verantwortlich. „Es ist überall bekannt“, erklärt Frank Kürschner-Pelkmann vom Missionswerk in Hamburg, „daß es in Nigeria seit Jahren religiöse Spannungen gibt.“ Auch der Afrika-Kenner Bonnke muß das gewußt haben. Knapp die Hälfte der Nigerianer sind moslemisch. Christen gibt es etwas weniger, meist im Süden.

Jede Missionsanstrengung heute richtet sich gegen die Andersgläubigen und verstärkt dadurch die Spannungen. Auch das muß Bonnke gewußt haben. Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt am Donnerstag sagte er laut 'Bild‘: „Es ist tragisch, tut mir sehr leid.“ Bascha Mika