Deutschlandfahne verprügelt!

■ Bei der Berliner Budo-Gala bekam nicht nur ein Polizist Prügel...

Berlin. Alltag in Deutschland: Zwei prügeln sich und alle gucken zu — soweit alles ganz normal. Wenn einer von beiden Ausländer ist, johlt die Menge meist, wenn er zusammengeschlagen wird — auch ganz normal.

Am Samstag abend bei der Budo- Gala in der Deutschlandhalle ist das völlig anders. Der zweite Kampf des Abends wird angekündigt, Kickboxen. „Aus Berlin«, brüllt der Ansager im schwarzen Anzug, „aus Berlin Sven Reichmann.« Tosender Applaus. »Er wird auch der rote Sven genannt, wegen seiner Haarfarbe und weil es in der Ecke des Gegners brennt, wenn er im Ring ist.« Begeisterung. »Sven ist von Beruf Polizist.« Totenstille, vereinzelt Buhrufe. Der Gegner von Sven Reichmann ist ein schwarzer Franzose, Eddy Saban.

Gleich in der ersten Runde bekommt der Polizist eins auf die Mütze, die er im Augenblick nicht aufhat. Ein Bulle wird angezählt und keine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Bei acht hört der Ringrichter auf, es geht weiter. Von den Rängen brüllt einer »Hau den Neger weg« und »Deutschland, Deutschland« und ich denke »Hoyerswerda«. Nix ist. Von unten kommt zurück »Halt's Maul«, der Fascho wird ausgepfiffen. In der dritten Runde kippt Sven wieder aus den Pantinen und gibt auf.

Der eigentliche Kampf aber, gut gegen böse, gerecht gegen ungerecht, weiß gegen schwarz, die Verteidigung des Abendlandes, die Rettung der Zivilisation, Berlin gegen den Rest der Welt, kommt erst ganz zum Schluß. Es geht um den WM-Titel im Kickboxen in der 60-Kilo- Klasse. Zuerst der Böse, ein schwarzer Schwarzmagier, mit schwarzer Haut und schwarzer Seele, der Holländer Gilbert Ballentine. Dann der Gute, Deutsche, der Berliner, einer von uns, der Mann aus dem Wedding, Michael Kuhr. Die Halle tobt. Aber — hat er überhaupt eine Chance???

Schon am Freitag roch die 'Bild‘: »Es stinkt nach Korruption.« Nur ein deutscher Kampfrichter, aber zwei holländische. Und der Deutsche sei auch noch korrupt. Michael, der liebende Vater (er nimmt gerade sechs Monate Vaterschaftsurlaub), muß also seinen Gegner k.o. schlagen.

Am Samstag ist dann auf einmal alles ganz anders: Ein Kampfrichter aus Holland, einer aus Frankreich, einer aus Deutschland und außerdem ein deutscher Ringrichter. Trotzdem bekommt Michael Kuhr die Hucke voll. Gleich in der ersten Runde tritt ihm »Die Bulldogge« aus Holland kräftig vor die Nuss und der Postbote legt sich hin. Der Ringrichter zählt bis acht. Danach läßt Ballantine sich Zeit. Hier ein Tritt, dort ein Schlag, und wenn er selbst mal was abbekommt, lächelt er. Die wandelnde Deutschlandfahne (Kuhr hat sich den Hinterkopf passend einfärben lassen) ist ständig auf dem Rückzug. Gilbert Ballentine gewinnt lässig. Tosender Applaus. joe