Autonomieversprechen für Wolgadeutsche

■ Staatliche Autonomie soll laut Zusage Boris Jelzins in Etappen wiederhergestellt werden

Moskau (dpa/ap/taz) — Die Sowjetdeutschen sollen im Wolgagebiet, aus dem sie 1941 von Stalin vertrieben wurden, in Etappen wieder staatliche Autonomie erhalten. Ein entsprechender Vertrag soll beim Besuch des russischen Präsidenten Boris Jelzin in Bonn am 21. und 22. November abgeschlossen werden. Zugesagt hat dies Jelzin dem Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Horst Waffenschmidt, der am Wochenende die Bonner Regierung beim Kongreß der Rußlanddeutschen in Moskau vertrat.

Ein Stufenplan sei notwendig, meinte Jelzin, weil zahlreiche Schwierigkeiten überwunden werden müßten. Er spielte damit auf Proteste von Teilen der russischen Bevölkerung im Gebiet Saratow an, die in der vergangenen Woche angedroht hatten, eine Wiederherstellung der deutschen Wolgarepublik „mit allen Mitteln zu verhindern“. Für kommende Woche hat das antideutsche Komitée „Rußland“ Streiks und die Blockade von Fernstraßen nach Marx angekündigt.

Einig war sich Jelzin in dem Gespräch mit Waffenschmidt, daß die Deutschen künftig in mehreren Gebieten in Rußland siedeln können und dies gefördert würde. Wegen der historischen Bedeutung solle aber im Wolgagebiet das deutsche Zentrum entstehen. Leonid Prokopjew, Chef des russischen Staatskomitées für Völkerfragen, hatte zuvor den 900 Delegierten des Kongresses einen Vierstufenplan für die Errichtung einer deutschen Wolgarepublik vorgestellt. In einem Grußwort zur Eröffnung der Versammlung hatte der sowjetische Präsident Gorbatschow zudem erklärt, daß die „zunehmende Auswanderung von Sowjetdeutschen Unruhe und Besorgnis verursacht“. Die Ausreisewelle in die Bundesrepublik zu stoppen ist auch Hauptanliegen der Bundesrepublik. In diesem Jahr wird mit 200.000 Aussiedlern gerechnet. Ein weiterer drastischer Anstieg ist absehbar, wenn ab dem 1. Januar 1993 das neue Reisegesetz verabschiedet wird und sich bis dahin immer noch keine Perspektive in der alten Heimat ergeben hat. Die sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ zitierte Waffenschmidt mit den Worten, Deutschland sei nicht in der Lage, alle sowjetischen Emigranten mit Wohnungen, Arbeit und Sozialleistungen zu versorgen. Auf dem Moskauer Kongreß versicherte Waffenschmidt, die Bundesregierung werde technische Hilfe zur Verfügung stellen, um den Aufbau der Republik der Rußlanddeutschen zu ermöglichen. Bisher hat die Bundesregierung lediglich deutsche Kulturzentren und mittelständische Betriebe im ersten nationalen Rayon (Landkreis) mit Selbstverwaltungsrechten für die Deutschen im Altai-Gebiet unterstützt.

Nach den Worten Waffenschmidts hat Jelzin die Maßnahmen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft „mit größter Befriedigung“ aufgenommen. Man stimme darin überein, daß möglichst viele Rußlanddeutsche (an der Wolga; Anm. d. Red) eine Zukunft für sich und ihre Kinder sehen sollen. Der Vertrag mit Bonn wäre das erste verbindliche Dokument zur Wiederherstellung der Staatlichkeit der Deutschen in Rußland. aku