Teddybär statt Caprio

■ Anke Huber besiegt Martina Navratilova, Michael Stich gewinnt Wien — und droht Boris Becker

Filderstadt (dpa/taz) — Höchste Zeit, daß sich die Tennisturnier- Veranstalter Gedanken machen über neue Gewinn-Preise. Denn was bitte schön soll eine 16jährige mit einem Porsche Caprio? Sicherlich, alle hatten angenommen, daß Martina Navratilova das Finale von Filderstadt zum sechsten Mal gewinnt. Und einer 35jährigen, dynamischen Frau, so das Kalkül der edlen Spender, steht ein Sportwagen zweifellos gut.

Die Überraschungssiegerin Anke Huber jedoch stand etwas hilflos vor ihrem neuen Besitz: „Der Porsche kommt in meine Garage, bis ich den Führerschein habe.“ Doch man ahnt: Ein riesiger Plüsch-Teddy oder ein neongelbes Mountain Bike hätten sie mehr beglückt.

Doch glücklich war die temperamentvolle Heidelbergerin am Sonntag ohnehin. Augenzeugen berichten, sie hätte vor lauter Freude nahezu einen Meter vom Boden abgehoben. Der Grund: Die 16jährige hat in einem hochklassigen und dramatischen Duell der Generationen die mehr als doppelt so alte Weltranglisten-Vierte aus den USA in 1:53 Stunden besiegt. Völlig überraschend und mit erstaunlicher Nervenkraft: Mit 2:6 gab sie den ersten Satz übernervös ab, drehte daraufhin von Wut gepackt teuflisch auf und holte sich den zweiten Satz unter Zuhilfenahme göttlicher Passierschläge und perfekter Lobs ebenfalls mit 6:2. Im dritten gelang es Frau Navratilova, zwei Breaks der entfesselten Badenerin wieder auszugleichen, doch im Tie-Break schwammen ihre Felle davon: Sie verlor knapp mit 7:4. „Das war das engste Finale, das ich bisher hier erlebt habe“, zollte die gebürtige Pragerin Anke Huber Respekt. „Denn auch ich habe recht gut gespielt“, stellte sie durchaus richtig fest.

Doch Martina Navratilova war sauer, denn sie hatte mehr verloren als ein Turnier: Mit diesem Sieg hätte sie eine weitere Bestmarke für die Ewigkeit gesetzt: Ihr sechster Sieg in Filderstadt wäre der 157. Turniererfolg ihrer Karriere gewesen, mit dem sie den von ihrer einstigen Dauer-Rivalin Chris Evert (USA) gehaltenen Rekord eingestellt hätte. Doch da sie längst noch nicht ans Aufhören denkt, dürfen wir weiterhin voller Hoffnung auf dieses historische Datum lauern.

Anke Huber klettert durch ihren Sieg in der Weltrangliste um sechs Plätze auf Rang 15 — höher als je zuvor. Jetzt winkt ihr sogar die Teilnahme am Masters-Turnier in New York, für das die besten 16 Spielerinnen qualifiziert sind.

Auch Michael Stich siegte am Wochenende: Gegen den Niederländer Jan Siemerink gewann er in Wien sein viertes Grand-Prix-Turnier in diesem Jahr. „Ich habe nur das Notwendigste getan“, sagte Stich nacher gewohnt unsympathisch. „Ich wußte, daß Jan mir nicht wehtun kann.“ Und überhaupt würde er ab jetzt nicht mehr so billig zu haben sein: Turniere wie Wien macht er nur noch, weil er es vor seinem Coming Out versprochen hatte. Aber zumindest habe Wien die Vorbereitungsfunktion vor Stockholm erfüllt, wo er Boris Becker das erste Mal seit Wimbledon wiedertreffen wird. Und weil er gerade das Maul so weit offen hatte, ließ er sich hinreißen: „Wenn ich am Ende des Jahres vor Boris bin, habe ich nichts dagegen.“ Du nicht, lieber Michael. Aber wir. Boris, gib's ihm! miß

Wien, Doppelfinale: Anders Järryd/Gary Muller (Schweden/Südafrika) - Jakob Hlasek/ Patrick McEnroe (Schweiz/USA) 6:3,7:5, Filderstadt, Doppelfinale: Martina Navratilova/Jana Novotna (USA/CSFR) - Pam Shriver/Natalia Zwerewa (USA/UdSSR) 6:2, 5:7, 6:4.