HSV-Fans heben ab

■ Der Hamburger SV schlägt Sofia im UEFA-Cup 2:0 — glückliche Fans dürfen wieder Koffer packen

Hamburg (taz) — HSV-Fans sind viel unterwegs. Das mag drei Gründe haben: Erstens bleibt ihnen ob des weitläufigen fußballerischen Niemandslandes im Norden gar nichts anderes übrig, zweitens spielt ihre Mannschaft auswärts meist besser als zu Hause im Volksparkstadion, dem Kühlschrank von Stellingen, und daraus folgt, drittens: Von Reisen läßt sich lange zehren — besonders von internationalen. Legendär ist längst der UEFA-Cup-Trip vor anderthalb Jahren zu Juventus Turin, einschließlich Verbrüderung mit ein paar Norditalienern und fröhlichen Gelagen.

Nach einem Pausenjahr auf europäischem Parkett sind sie heuer wieder dabei, die Hamburger Kicker und ihre Fans. Und sind alle noch nicht recht froh geworden. Erst ging es in der ersten UEFA- Cup-Runde gegen Gornik Zabrze — inklusive einer für westlichen Standard beschwerlichen Reise ins polnische Oberschlesien —, jetzt hat sich der Verein in der zweiten Runde mit CSKA Sofia auseinanderzusetzen. Wieder ein „Ostblock-Club“, stöhnten bei der Auslosung unisono Fans und Vereinsverantwortliche. Letztere, weil von vornherein klar war, daß beim vorgestrigen Hinspiel in Hamburg nicht mit Zuschauermassen zu rechnen war. Neben den Eintrittsgeldern von in der Tat nur 8.120 Besuchern gab es immerhin rund eine halbe Million Mark Fernsehgelder. Schließlich wird derzeit eigentlich jedes internationale Balltreten irgendwo live übertragen.

Über das vermeintlich Unattraktive osteuropäischer Gegner läßt sich trefflich streiten — oder auch nicht. CSKA Sofia jedenfalls gehört keineswegs zum Untergrund des Fußballsports, ist der bulgarische Überflieger mit 26 Meistertiteln und 20 Pokalgewinnen und zur Zeit nach zehn Ligaspielen ungeschlagener Tabellenführer.

Wahrscheinlich aber bevorzugt die Elf das Spiel auf eigenem Platze. So schön sie in Hamburg bisweilen ihre technischen Fertigkeiten und die Schnelligkeit ihrer Sturmspitzen aufblitzen ließ, so konsequent unkonzentriert verdaddelte die Mannschaft ihre gute handvoll Torchancen. Bösartig müßte man den Sofioten Faulheit bescheinigen. Der HSV hingegen, der nach Berechnungen von Statistikern vor der Partie seit 176 Spielminuten kein Tor mehr auf eigenem Platz geschossen hatte, war zwar nicht brillant, aber sehr bemüht offensiv. Ob seiner Überlegenheit im Zweikampf, dem kämpferischen Forechecking, welche sich die bulgarischen Ballkünstler beleidigt kaum stellen mochten, war es nur verdient, daß in der 38. Minute Libero Frank Rohde das 1:0 nach einem über die CSKA-Abwehr gezirkelten Spörl-Freistoß erzielte.

Stimmung kam auf: Die Fans in der Westkurve unterbrachen zwecks Cupbeschwörungen ihre obligaten Bayern-Schmähgesänge. Üblicherweise angestimmte Beleidigungen des anwesenden Gegners gab es keine, zumal auch die echoenden Ansprechpartner fehlten. Wem soll man schon „Sofia — wir hören nichts!“ entgegenrufen, wenn in der Gästekurve keine Gäste, sondern nur etwa acht verirrte HSV-Anhänger stehen?

Sehr glücklich in der letzten Spielminute erzielte wiederum Frank Rohde das 2:0 für Hamburg, nachdem in der vorausgegangenen zweiten Halbzeit allenthalben Unmut über das zerfahrene Spiel einer schwer aus dem Tritt geratenen Hamburger Mannschaft ausgebrochen war.

Der bulgarische Trainer Asparouh Nikodimov prophezeite hernach fürs Rückspiel ein „sehr interessantes Spiel mit einem unerwarteten Ergebnis“. HSV-Trainer Gerd-Volker Schock konstatierte in seiner holsteinischen Gelassenheit: „In Sofia wird es einfacher als hier.“ Statistiken belegen dies.

Nur für die Fans wird es schwer. Kaum in Betracht kommt eine Anreise per Pkw, weil weder Jugoslawien noch Rumänien derzeit als Transitland taugen, per Schiff von Süditalien überzusetzen, ist auch ein teures Vergnügen. Bleibt das Fliegen. Über das Chartern eines Flugzeuges denken die getreuen Anhänger bereits nach. Kaum in Anspruch nehmen werden die Reisefreudige aus der Westkurve das Angebot ihres Klubs. Dessen 1.480-Mark-Reiseofferte taugt eher für Geschäftspartner des Vereinspräsidenten. Katrin Weber-Klüver

CSKA Sofia: Velinok - Dotschew - Raruschev - Nachov - Widow - Pawlow (83. Stoilow) - Andonow - Marinow - Nankow - Maraschilew (67. Pramatarow) - Letchkow.

Zuschauer: 8.120.

Tore: 1:0 Rohde (36.), 2:0 Rohde (89.)

Hamburger SV: Golz - Rohde - Beiersdorfer - Kober - Spörl (76. Bode) - Matysik - von Heesen - Hartmann, Eck - Eckel (82. Nando) - Furtok.