Vereinsmeierei

■ Wie Hermann Kant Schorlemmers PEN-Aufnahme verhinderte

Berlin (taz) — Friedrich Schorlemmer darf nicht in den Ost-PEN. Laut Informationen des 'Mitteldeutschen Express‘ ist Schorlemmers Aufnahme in das PEN-Zentrum Ost bei einer Abstimmung unter den rund 115 Mitgliedern an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gescheitert. Wortführer gegen den Wittenberger Pfarrer und Bürgerrechtler soll dabei Hermann Kant gewesen sein, der frühere Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes. Kants Begründung: Er wolle nicht mit Schorlemmer im gleichen Verein sein, weil dieser in einem Interview nicht nur Honecker und Mielke, sondern auch Karl- Eduard von Schnitzler (Der Schwarze Kanal) und ihn, Kant, für die Todesschüsse an der Mauer verantwortlich gemacht habe.

Werner Liersch, Präsidiumsmitglied des Ost-PEN, bestätigte nun und bedauerte es ausdrücklich, daß Schorlemmer zwei Stimmen für die Aufnahme gefehlt hätten. Er bestätigte auch, daß Kant auf Schorlemmers Vorschlag hingewiesen habe, zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte ein Tribunal zu veranstalten, vor dem Honecker, Mielke, Schnitzler und Kant sich verantworten sollten. Kant sei nicht Wortführer gewesen, sondern habe mit diesem Hinweis begründet, warum er gegen die Aufnahme stimmen werde. Schorlemmer dazu: „Mit tiefer Bestürzung habe ich von diesem Votum erfahren. Wenn Kant verhindern kann, daß jemand, der 30 Jahre in der Bürgerrechtsbewegung arbeitet, in den PEN Ost gewählt wird, dann kann der PEN Ost zumachen.“

Skandalös ist dabei nicht nur Kants Äußerung: Bei dem von vielen Bürgerrechtlern und öffentlichen Personen in Ost- wie Westdeutschland geforderten Tribunal geht es weniger um die moralische Verurteilung einzelner Verantwortlicher als vielmehr um die Möglichkeit, über die juristische Verhandlung etwa des Schießbefehls an der Mauer hinaus DDR- Geschichte aufzuklären und die Mechanismen des Unrechtsstaats freizulegen. Eine Aufgabe, der eine Institution wie der PEN eigentlich selbst nachgehen müßte. Erschreckend an Schorlemmers Ablehnung ist auch die Tatsache, daß sich Kants Auffassung ja immerhin an die vierzig seiner Kollegen angeschlossen haben. Eine Kontroverse findet wieder einmal nicht statt: Das nährt die Gefahr, daß die Debatte um die DDR-Geschichte nicht ausgetragen wird, sondern sich in Vereinsmeierei erschöpft, wie bei der Akademie, wie beim Schriftstellerverband: im Streit um Mitgliedschaften. chp