Ein Hauch von Punk

■ Zehn Jahre KOB

In diesen Wochen, niemand weiß genau wann, feiert das KOB in der Potsdamer Straße seinen zehnten Geburtstag.

In der aufgehübschten Magistrale zwischen Kleistpark und Nationalgalerie hat die schlauchartige Veranstaltungskneipe zäh ihr düster-skurilles Outfit aus den frühen 80ern verteidigt. Unnachahmlich die lethargische, gekonnt desinteressierte Bedienung am Tresen. »Museum der Besetzerbewegung« — solcherlei Klassifizierung hört Wolfgang, Manager für Musik und Werbung, allerdings nicht so gerne: »Es gibt eben nach wie vor Leute, die das gleiche wie vor zehn Jahren machen und gerne in eine Kneipe gehen, wo noch der Hauch des Punk drüberliegt und die Selbstverwaltung hochgehalten wird.«

Tatsächlich legen die 20 KOB- MacherInnen immer noch Wert darauf, mehr als nur ein Musikklub oder eine Abfüllstation zu sein, sie wollen Anlaufstelle der Schöneberger Politszene bleiben. Die zahlreichen Plakate, Aufrufe und Flugblätter an den Wänden zeugen davon. Und alle paar Tage schaut jener seltsame »Propagandaminister« vorbei, der die große schwarze Schiefertafel mit den aktuellen Demoterminen bekritzelt. Er gehört zum Inventar wie die »Nachtigall von Ramersdorf« oder Pogo, der »graue Punker«. Selbst Namenspatron P.K. Horst »Hotte« Franzen, Kontaktbereichsbeamter und ein fast schon legendärer Hans- guck-durchs-Schlüsseloch, drückt sich immer mal wieder an der Scheibe die Nase platt.

Im April 1981 besetzt, versammelte sich in dem heruntergewirtschafteten Gründerzeithaus zunächst regelmäßig der Schöneberger Besetzerrat. Ab Dezember 1981 war täglich geöffnet.

Ohne das KOB hätte das besetzte Haus Potsdamer Straße 157/159 die Räumungswellen der Jahre 1981-83 wohl nicht überlebt. Eine einfallsreiche »Kulturpolitik« mobilisierte damals die Berliner Kulturszene. Mit Lesungen und kleinen Festivals wie Berlin-Amsterdam schuf man sich eine Lobby, die irgendwann bis ins Schöneberger Rathaus reichte. Sie bewahrte das KOB vor dem Aus, als Heinrich Lummer das Haus 1991 zur »kriminellen Fluchtburg« erklärte. 1983 adelte der 'Spiegel‘ das Lokal: »etablierter Bestandteil der West-Berliner Off-Kultur: als Rock-Laden unentbehrlich«.

Unentbehrlich zumal für junge Berliner Bands, die Auftrittsorte suchten. Der Schnupperpreis von 5 Mark galt jahrelang als KOB-Philosophie. Einige Gruppen starteten hier, die Jahre danach durch große Häuser tourten. Element of Crime etwa, Serious Drinking oder K.U.K.L., die späteren Sugarcubes. Aber auch ganz große Namen gaben sich zum Einheitspreis die Ehre: Peter Brötzmann, Kevin Coyne oder die U.K. Subs. Und bei »solidaritätsmäßigen« Überraschungsgigs der Toten Hosen, füllte pure Mundpropaganda das Lokal bis auf den letzten Stehplatz über der Heizung.

Seit 1985 besitzt das KOB eine Gewerbelizens. Den freien Fall von der Illegalität in die Professionalisierung haben sie damals gut verkraftet, kollektiv und selbstausgebeutet und »alles ohne Senatsknete«, versteht sich.

Aber nun drücken neue Sorgen. Die Maueröffnung schafft ökonomische Zwänge. Für unbekannte Bands gibt es neue Auftrittsorte in Ost-Berlin, die angesagter sind und wegen fehlender Legalität weitaus weniger Unkosten haben. Radio 100, ein wichtiger Werbeträger, ist perdu. Und selbst das Stammpublikum geht neue Wege. Eine veränderte Konzeption soll das Überleben sichern, weg vom Allerlei, hin zu einer festgelegten Musikfarbe. Punk, Hardcore, Ska und Reggae — zugkräftige Acts aus den USA und dem europäischen Ausland, »denn anders bekommen wir den Laden nicht mehr voll«. Kleine Festivals sollen jedoch auch künftig unbekannte Berliner Bands vorstellen, wie zuletzt als Gegenveranstaltung zu den Berliner Independent Days.

Ein neues Konzept sucht auch das Kino im KOB, das zur Zeit pausiert. Drei Initiativen haben das schnieke kleine Hinterzimmer-Lichtspiel mit 46 Plätzen seit 1985 für nicht kommerzielle OFF-OFF-Arbeit genutzt. Die Rest-Gruppe, auf (aktuelle) politische Filme spezialisiert, litt wie ihre Vorgänger daran, daß Mitarbeiter und Publikum ständig wechselten, letztere oft ganz wegblieben.

Aber Krise? Während die Gewerbemieten ringsum schwindelerregende Höhen erreichen, hat das KOB mindestens bis 1999 einen sicheren Pachtvertrag mit dem Selbsthilfeprojekt. Noch gilt es als Aushängeschild, auch wenn sich viele BewohnerInnen persönlich aus der Kneipe rausgezogen haben. Wolfgang wünscht sich »weniger Beliebigkeit«, »mehr Kommunikation« zwischen Tresen und Gästen. Ob es das KOB in 10 Jahren noch gibt? »Ja«, sagt er ohne Zögern, »denn das KOB sind ja eigentlich nicht die Personen. Das KOB — das ist die Idee, das Lebensgefühl.« Frank Nordhausen