Todesurteile live im Fernsehen

■ In Südchina wurden am Wochenende 35 Männer wegen Drogenhandels hingerichtet/ Kampagne gegen Drogenhandel und -konsum/ Schauprozesse und Massenhinrichtungen zur „Abschreckung“

Peking/Berlin (afp/taz) — Die nationale Konferenz von Drogenexperten und Regierungsvertretern, die vergangene Woche in der südchinesischen Provinz Yunnan stattfand, sollte mit einem „Höhepunkt“ enden: In einem öffentlichen Schauprozeß wurden 35 Drogenhändler am Samstag vor 40.000 Zuschauern in einem Sportstadion der Provinzhauptstadt Kunming zum Tode verurteilt.

Die Angeklagten wurden mit hinter dem Rücken gefesselten Armen und gesenktem Kopf von je zwei Polizisten ins Stadion geführt. Andere Polizeibeamte mit Helmen und weißen Handschuhen verbrannten vier Tonnen Opium und eine Tonne Heroin. Die Männer wurden nach ihrer Verurteilung von der Menge weggeführt und sofort hingerichtet. Das chinesische Fernsehen übertrug den Schauprozeß live. Laut chinesischer Presse sollen in 14 weiteren chinesischen Städten Hinrichtungen folgen.

Über dreißig Jahre lang hatte China nach offiziellen Darstellungen kein Rauschgiftproblem. Drogenhandel und -mißbrauch galten als erfolgreich „ausgerottet“. Doch seit einigen Jahren sieht die Regierung sich mit einer neuen Drogenwelle und der Zunahme des Heroinhandels auf chinesischem Territorium konfrontiert. Sie griff auf ein „bewährtes“ Modell der Mobilisierung zurück: die Kampagne als politischer Erziehungsprozeß. Mit flächendeckender Propaganda, Schauprozessen zur Abschreckung und unbarmherzigen Härte in der Anwendung der Todesstrafe. Der praktische und ideologische Erfolg einer Kampagne zeigt sich in der großen Zahl der „gesäuberten“ negativen Elemente. So erklärten die Behörden in diesem Jahr einen „Volkskrieg“ gegen das Rauschgift und machten zugleich Ausländer für den steigenden Konsum verantwortlich.

Die extensive Anwendung der Todesstrafe soll vor allem abschrecken. Zu den Schauprozessen — bei denen die bereits vorverurteilten Angeklagten keine Möglichkeit haben, sich zu verteidigen — wird das Publikum unter anderem aus den Betrieben und Institutionen geladen oder abgeordnet. Im Juni 1990 und 1991 wurden nach zwei ähnlichen Massenveranstaltungen zusammen 88 Drogenhändler hingerichtet und 1,4 Tonnen Rauschgift verbrannt. Schätzungen zufolge sind etwa 200 Menschen in diesem Jahr im Zusamenhang mit Drogenvergehen hingerichtet wurden.

Die Notwendigkeit ihrer Kampagne versuchen die chinesischen Behörden mit Statistiken zu belegen: Zwischen Januar 1990 und Oktober 1991 sind nach amtlichen Angaben in China 7.737 Dealer verhaftet worden, gegenüber 449 im Jahr zuvor. Während die Ausbreitung des Drogenproblems in China von keiner Seite bezweifelt wird, verweisen Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international jedoch auf ein Merkmal der chinesischen Kampagnen: Es gibt keinen belegbaren Zusammenhang zwischen eine Zunahme der Schwere der Verbrechen und der Härte der Urteile. So ist zu befürchten, daß auch gegenwärtig viele Personen hingerichtet werden, die außerhalb der Kampagne nicht mit dem Tode bestraft worden wären.

Zu einem Schwerpunkt im Kampf der chinesischen Behörden gegen den Drogenkonsum ist die südchinesische Provinz Yunnan geworden. Sie grenzt direkt an das sogenannte Goldene Dreieck im Grenzgebiet von Birma, Thailand und Laos, eines der Hauptanbaugebiete für Opium. In Yunnan sollen 80 Prozent der chinesischen Drogenabhängigen leben sowie die meisten der hundert Aids- Infizierten.

Daneben sind vor allem Guangxi und Guangdong im Süden, die Küstenprovinz Fujian im Osten und die Gegend um Schanghai vom Rauschgiftproblem betroffen. Diese Regionen sind nach Einschätzung internationaler Experten vor allem Zwischenstationen für die Drogenmärkte in Japan, Nordamerika und Europa. li