BUND für Renaissance der Kopfbahnhöfe

■ Auch BUND gegen Zentralbahnhof und Nord-Süd-Tunnel unter dem Tiergarten/ Plädoyer für mehrere gleichwertige Fernbahnhöfe im Zentrum der Stadt/ Bau neuer Kopfbahnhöfe am Nordbahnhof, Anhalter und Lehrter Bahnhof gefordert

Berlin. Nimmt man allein die Zahl der mittlerweile kursierenden Strecken- und Bahnhofsmodelle, ist die Stadt bahnplanerisch bestens für die Zukunft gerüstet. Sozusagen kurz vor Toresschluß präsentierte der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gestern unter dem Titel »Berlin 2000« ein weiteres Eisenbahnkonzept. Die Zeit drängt, da ein neues Berliner Fernbahnkonzept nur noch bis zum Jahresende in den Bundesverkehrswegeplan eingefügt werden kann.

Wie beispielsweise die Bürgerinitiative Westtangente lehnt auch der BUND den Bau eines großen Zentralbahnhofs in Moabit und eines Nord-Süd-Tunnels unter dem Tiergarten ab. Geht es nach den Umweltschützern, soll der Fernverkehr vielmehr strahlenförmig von insgesamt sieben gleichwertigen Bahnhöfen an den beiden zentralen S-Bahn-Achsen ausgehen: je ein Bahnhof für die vier Himmelsrichtungen Westen (Zoo), Süden (Anhalter Bahnhof), Osten (Hauptbahnhof) und Norden (Nordbahnhof), der Lehrter Bahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge sowie die Bahnhöfe Friedrichstraße und Lichtenberg für einzelne, längere Verbindungen. Anders als in allen bisher vorliegenden Bahnkonzepten wird dazu der Wiederaufbau von drei Kopfbahnhöfen vorgeschlagen — und zwar auf den Flächen des Nordbahnhofs, des Anhalter Bahnhofs und des Lehrter Bahnhofs. Vorteil dieser neuen Bahnhöfe sei der geringe Flächenbedarf; erforderlich seien nur fünf oder sechs Gleise, heißt es erläuternd. Zum anderen könnten Züge auf kürzestem Wege ins Zentrum gelangen und auch wieder auf kürzestem Wege die Stadt verlassen. Weiterer Vorteil: Kopfbahnhöfe seien höchst übersichtlich für den Reisenden, weil auf jedem Gleis die Züge immer nur in eine bestimmte Richtung führen.

Fernzüge möchte der BUND im Zentrum Berlins prinzipiell nur einmal halten lassen, unter anderem »um Energie und Zeit der kostbaren Züge zu sparen«, und, so ein Pressetext, »weil dann insgesamt weniger Bahnhof gebaut werden muß.«

Wegen dem zu erwartenden verstärkten Anstrom von Bahnreisenden hält die Umwelt-Organisation mehrere gleichwertige Bahnhöfe für ein »unbedingtes Muß«, womit sie nicht alleinsteht. Nach den BUND- Wünschen sollen die City-Bahn- Züge der Bundesbahn im 60-Minuten-Takt an allen Berliner Fernbahnhöfen, an sämtlichen S-Bahn- Endpunkten und an den wichtigsten Umsteigestationen im städtischen Nahverkehrssystem halten. Als bedeutendste Regionalzughalte nennt der BUND neben Gesundbrunnen und Lichtenberg die fünf großen Bahnhöfe auf der Stadtbahn, den Nordbahnhof und die neuen Bahnsteige am Gleisdreieck, am ICC sowie am Kreuzungspunkt Papestraße.

Insgesamt sieht der BUND mit seinem Eisenbahnmodell fünf Grundforderungen erfüllt, so Sprecher Claus Gerlach: Die vorhandenen Bahnflächen würden optimal genutzt, Eingriffe in andere Gelände seien überflüssig, mit geringem Bauaufwand entständen mehrere gleichwertige Bahnhöfe im Berliner Zentrum, und es gebe eine bessere Übersicht für die Reisenden. Größter Vorteil sei, daß die Planungen bis zum Jahre 2000 realisierbar seien.

Gravierende Schwachstelle des BUND-Konzeptes: Die zugrunde gelegten Zahlen über das Ziel- und Quellverkehrsaufkommen sind total veraltet, stammen noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Und außer den Kopfbahnhöfen müßten laut BUND vier neue Bahnbetriebswerke her. Der Sprecher der Reichsbahn-Hauptverwaltung, Dieter Koschmann, bemerkte daher, ihm scheine, daß vor allem die »technologischen Belange« der Bahn beim BUND zu kurz kämen. Beispiel: Im Regionalverkehr gäbe es nur teilweise Wendezüge, die zu den Kopfbahnhöfen fahren könnten. Mit dem Bau der Kopfbahnhöfe sei es außerdem nicht getan, man benötige zur Behandlung der Züge vor der Weiterfahrt umfangreiche Gleisabstellanlagen. Unter dem Strich bezeichnete der Reichsbahn-Sprecher das in sich schlüssige Eisenbahnkonzept der Umweltschützer indes als »interessantes Material«, das von der Reichsbahn selbstverständlich auf die Realisierbarkeit hin geprüft werde. Thomas Knauf