Eh' der ABM-Hahn dreimal kräht

■ Initiativen fordern feste Stellen / Koalitionäre verraten noch nichts

Nehmen wir zum Beispiel die Solidarische Hilfe. Im September 1987 öffnete der Verein einen Beratungsladen für Sozialhilfeempfänger, heute betreut er in sechs Läden insgesamt 7.000 Menschen pro Jahr. Doch wie alle sozialen Initiativen plagt die Solidarische Hilfe ein Problem: Kontinuierliche Beratungsarbeit ist nicht möglich, weil das Personal im Rahmen von ABM-Stellen spätestens alle zwei Jahre wechselt. Außerdem befürchten die Vereinsmitglieder, daß der ABM-Hahn bald zugedreht wird. Das wäre das Ende der freien Initiativen.

Im wesentlichen korrigieren die Initiativen die Defizite der Sozialpolitik. „Die Behörden können nicht nur nicht, sie wollen nicht“, erklärt Helmut Oppermann, der innerhalb der Solidarischen Hilfe in einem Projekt für kurdische Jugendliche arbeitet. Es sei ein Trugschluß, zu glauben, Sozialhilfe verhindere Armut: „Sozialhilfe ist Armut, wer hier Geld beantragt, wird als Bittsteller empfangen und automatisch diskriminiert.“

Von einer solchen Behörde sei eine engagierte Beratung über mögliche Geldquellen kaum zu erwarten. „Bei uns wissen die Leute, daß wir sie nicht bescheißen“, berichtet Herbert Thomsen aus seiner Erfahrung. Seine Forderung deshalb: Die neue Regierung in Bremen muß den Initiativen die Stellen sichern.

Derzeit sind nach Auskunft des Arbeitssenators im Bereich der sozialen Initiativen etwa 1.200 ABM-Stellen angesiedelt. Nach Angaben des Sachbearbeiters für ABM beim Arbeitsamt Bremen, Konrad Gerdes, ist derzeit noch nicht abzuschätzen, wie hoch der Haushaltstitel im nächsten Jahr sein wird. Aber: Das Arbeitsamt hat die ABM-Verteilung für freie Träger an feste Stellen gebunden: Wer keine eigene Kraft vorweisen kann, bekommt auch keine ABM-Stelle mehr.

Der Arbeitssenator hat deshalb im Herbst 1989 ein sog. Stammkräfteprogramm erlassen. Mit 2,5 Millionen Mark wurden damit bislang 72 Stellen eingerichtet, die die freien Träger wiederum berechtigen, beim Arbeitsamt ABM-Stellen zu beantragen. Alles in allem eine ziemlich wackelige Konstruktion, die durch die harte Beschaffungsarbeit der Initiativen noch erschwert wird.

„Wir reiben uns gegenseitig auf, das freie Geld für unsere Projekte loszueisen“, erklärte Thomsen. Im Selbsthilfetopf der Sozialinitiativen sind 400.000 Mark, um die sich jedes Jahr ein Kampf unter 20 Initiativen entspinnt. Der bürokratische Aufwand für die Ausgabe der Mittel verschlingt Arbeitskraft: „Wir laufen uns irre und putzen Klinken“, erzählt Thomsen.

Über die Zukunft der Initiativen besteht noch keine Gewißheit. „Wir müssen davon ausgehen, daß die FDP innerhalb einer Ampel-Regeirung die Förderungsaufträge an öffentliche Träger veteilt“, befürchtet Oppermann. Die sozialpolitische Sprecherin der FDP, Annegret Pautzke, mochte sich angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen nicht konkret äußern. „Es dürfte aber klar sein, daß wir nicht gerade dort mit dem Streichen beginnen“, erklärte sie auf Anfrage.

Bei den übrigen Parteien der künftigen Koalition hielt man sich ebenfalls bedeckt. Die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert verwies auf das Wahlprogramm der Grünen, in dem die „Projektabsicherung“ vor allem in den Stadtteilen gefordert wird. Bei der SPD hüllt man sich ganz in Schweigen. Offenbar gibt es bereits ein sozialpolitisches Papier für die Koalitionsverhandlungen, das aber noch nicht veröffentlicht worden ist. mad