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Innenministerkonferenz unter Polizeischutz

■ Hohe Sicherheitsvorkehrungen für Konferenz im Reichstag über illegale Einwanderung aus Osteuropa/ Zahlreiche Straßen in Mitte abgesperrt/ Heute Demonstration am Adenauerplatz/ Flüchtlinge aus Osteuropa halten weiter Räume in der TU besetzt

Berlin. Heute und morgen wird der Verkehr wieder großzügig zusammenbrechen und die Berliner eine Ahnung des künftigen Hauptstadtalltags spüren. Weil im Reichstag die Innen- und Justizminister aus 20 Regierungen über die Begrenzung der illegalen Zuwanderung aus und über Mittel- und Osteuropa tagen (siehe S.4), wird der Bereich Mitte so gut wie unpassierbar sein. Abgesperrt wird an beiden Tagen ab acht Uhr die Scheidemann- und die Clara-Zetkin- Straße zwischen der Entlastungs- und Grothewohlstraße, die Straße des 17. Juni zwischen der Entlastungsstraße und dem Brandenburger Tor sowie die Paul-Löbe-Straße. Nur heute gesperrt ist ebenfalls der Straßenzug Karl-Liebknecht-Straße/Unter den Linden zwischen der Spandauer und der Friedrichstraße sowie die Budapester zwischen Kurfürstenstraße und Corneliusbrücke. Die Polizei hat die höchste Sicherheitsstufe angeordnet, will aber mit 3.000 eigenen Beamten die Lage im Griff behalten.

Mindestens die Hälfte der Beamten wird vermutlich heute abend um den Kurfürstendamm herum eingesetzt sein. Um 17 Uhr beginnt am Adenauerplatz eine Demonstration von autonomen Flüchtlingsgruppen gegen die Konferenz. Zur Teilnahme aufgerufen hat unter dem Motto »Keine Festung Europa — Offene Grenzen und Bleiberecht für alle« eine Initiative gegen Rassismus. Auf einem Flugblatt kritisieren sie die von Politikern und Medien geführte Asyldebatte, die letztendlich zu einem »Rassismus von unten« führe. Unter dem Vorwand, diesen wiederum eindämmen zu wollen, habe Schäuble die Reichstagskonferenz organisiert, um die weltweiten Wanderungsbewegungen besser »regulieren, selektieren und kontrollieren« zu können. Die Bandbreite der künftigen gemeinsamen Abschottungspolitik solle reichen: von sozialtechnischen Integrationsmaßnahmen für wenige, über Verschärfung des Asylverfahrens und Kontingentierung für viele bis hin zu Polizei- und BGS-Einsätzen, um Flüchtlinge sofort wieder in die Krisenregionen abzuschieben.

Unterdessen geht die Besetzung von Räumen der Technischen Universität durch Flüchtlinge weiter. Die Koordination der Flüchtlingsgruppen haben am Montag das Präsidium der Universität aufgefordert, sich den Forderungen der etwa 20 Flüchtlinge anzuschließen. Sie wehren sich gegen eine Verschickung in die östlichen Bundesländer und wollen ein freies Aufenthaltsrecht für Asylbewerber. TU-Vizepräsident Wolfgang Neef kündigte an, daß der Akademische Senat am Mittwoch über das weitere Vorgehen entscheiden wolle. Eine »Gewaltlösung« wolle er jedoch grundsätzlich nicht. Das Präsidium hat den Besetzern angeboten, in die ehemalige Kindertagesstätte der Uni umzuziehen und die sechs besetzten Seminarräume freizugeben. Bis gestern ist dies nicht passiert. Nach Angaben einer Sprecherin der Flüchtlinge hängt die Entscheidung über diesen Vorschlag von der öffentlichen Solidaritätserklärung der Uni-Leitung ab. Die Flüchtlinge, die überwiegend aus osteuropäischen Ländern kommen, halten die TU seit sechs Tagen besetzt. aku

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