Walesa will „Diktatur der Exekutive“

Der polnische Präsident schlägt sich selbst als Premier vor/ Ex-Kommunisten lehnen von Walesa erwogene Regierungsbeteiligung ab/ Katholische Parteien verhandeln über gemeinsame Koalition  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Polens Präsident Lech Walesa will nun auch noch Premier werden. In einer Stellungnahme vom Dienstagabend rief Walesa die politischen Parteien dazu auf, den Wahlkampf beiseite zu lassen und sich auf die politische Verantwortung für das Schicksal des Landes zu besinnen. Für seine „Diktatur der Exekutive“ schlug er vier Varianten vor:

—Alle aus der Solidaritätsbewegung kommenden Parteien bilden eine Koalition und einigen sich untereinander auf einen Premier;

—Er selbst wird Premier einer solchen Regierung, die allerdings dann auf zwei Jahre befristet sein soll.

—Die sieben stärksten Parteien im Parlament — einschließlich der Kommunisten — finden sich unter ihm als Premier ebenfalls begrenzt auf zwei Jahre zu einer Regierung der nationalen Einheit zusammen;

—Walesa wird Premier einer Fachleuteregierung, die ebenfalls ein Mandat für zwei Jahre erhalten und von den Mehrheitsverhältnissen im Sejm unabhängig ist.

Walesa hat diese Vorschläge im Gespräch mit Vertretern der Demokratischen Union inzwischen jedoch bereits wieder eingeengt: Eine Regierung müsse nicht nur das Vertrauen des Präsidenten, sondern auch eine Mehrheit im Sejm besitzen. Daher scheint die letzte Variante kaum noch aktuell zu sein. Ziel einer der von ihm vorgeschlagenen Regierungen müsse vor allem die Durchführung der Privatisierung, die Eindämmung der Rezession und der Arbeitslosigkeit und eine Verbesserung der Gesundheits-, Sozial- und Sicherheitspolitik sein.

Daß Walesa Premier werden könnte, ist kein neuer Gedanke. Er tauchte zum ersten Mal nach den Verhandlungen am Runden Tisch 1989 auf. Damals gelang es Innenminister Kiszczak nicht, eine Regierung zusammenzustellen. Walesa als Chef einer Solidarność-Regierung — diese Variante wollte man sich als letzte Möglichkeit aufsparen. Dann jedoch wurde Tadeusz Mazowiecki zum Premier erkoren.

Die der Union nahestehende 'Gazeta Wyborcza‘ äußert indessen ein gewisses Verständnis für Walesas Ambitionen, Premier zu werden. Wahrscheinlich sei nur der Präsident imstande, eine entsprechend breite Koalition zusammenzustellen und der Regierung so eine Mehrheit im Sejm zu verschaffen. Walesa traut der Zeitung auch am ehesten zu, die bisherige Wirtschaftspolitik über die Parteienauseinandersetzungen hinweg aufrechtzuerhalten.

Ablehnend äußerte sich dagegen der Generalsekretär der aus der PVAP hervorgegangenen Sozialdemokraten, Leszek Miller, zu einer möglichen Regierungsbeteiligung seiner Partei, die nach dem vorläufigen Endergebnis mit 12,02 Prozent knapp hinter der Demokratischen Union (12,35%) liegt. Beobachter vermuten, daß Walesas Variante einer Einbindung der Kommunisten vor allem verhindern soll, daß diese in der Opposition weiterhin die Stimmen der Unzufriedenen einsammeln können. Genau dieser Grund dürfte aber auch der Ablehnung der Ex- Kommunisten zugrundeliegen. In einem Leitartikel der Gazeta Wyborcza kritisierte Adam Michnik den „infantilen Wahlkampf gegen die Ex-Kommunisten“: Dieser habe ihnen ein besseres Ergebnis beschert, nun sei der Dialog umso schwerer.

Unterdessen gibt es Versuche, eine weitere Variante der Regierungsbildung zu verwirklichen. Bereits kurz nach Bekanntwerden der inoffiziellen Wahlergebnisse haben die Zentrumsallianz (8,73%) und der Katholische Wahlblok (8,8%) Verhandlungen aufgenommen. Ziel der „Katholisch-Nationalen Vereinigung“ des bisherigen Justizministers Chrzanowski ist demnach die Bildung einer breiten katholischen Koalition, die Zentristen, Bauernsolidarität, Katholiken und Christdemokraten umfassen soll. Nach der Initiative Walesas erscheint im Moment allerdings die Bildung einer Solidarność-Koalition mit der Demokratischen Union an der Spitze wahrscheinlicher. Dies umso mehr, als die Union nach der bisherigen Auszählung auch die mit Abstand stärkste Partei im Senat sein wird, der ein Vetorecht gegenüber Gesetzesinitiativen des Sejm hat.