Festung Europa bis zum Ural

■ Berlin: Konferenz über Fragen illegaler Zuwanderung

Festung Europa bis zum Ural

Die grenzenlose Zeit des demokratischen Übergangs in Europa ist schon wieder vorüber: Gestern einigten sich in Berlin 28 Minister für Inneres und für öffentliche Ordnung auf einen umfassenden Katalog von Polizeimaßnahmen, mit denen künftig die europäischen Grenzen gegen illegale Migration gesichert werden sollen. Die Vorhaben reichen von dem Austausch von Informationen über Fluchthelfer, gemeinsame Visumpolitik und die Intensivierung der Kontrollen an allen Grenzen bis hin zur gegenseitigen Unterstützung bei Ausstattung und Ausbildung der Grenzsicherungstruppen. „Sehr nützlich“, freute sich am Ende der zweitägigen Konferenz ein Mitglied der ungarischen Delegation. Denn sein Land stehe künftig nicht mehr allein bei der Verteidigung seiner Ostgrenze gegen illegale Einwanderer, sondern könne mit der Hilfe der Unterzeichnerländer des Kommuniqués rechnen — wirtschaftlich, technisch und personell.

Auf Einladung von Bundesinnenminister Schäuble hatten sich in Berlin fast alle westeuropäischen Länder mit den meisten osteuropäischen Ländern getroffen, um über „Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Einreisen aus und über Mittel- und Osteuropa“ zu beraten. Hinter den verschlossenen Türen des Tagungsraums im Reichstag prallten die Interessengegensätze aufeinander. Ost- und Westeuropäer würden „verschiedene Sprachen“ sprechen, ließ ein Mitglied der italienischen Delegation wissen. Es habe „unterschiedliche Betroffenheiten“ gegeben, formulierte es Schäuble vorsichtiger in der abschließenden Pressekonferenz, bei der sich die ihn flankierenden Innenminister von Ungarn, Österreich, Italien und Frankreich vornehm zurückhielten. Allerdings, so Schäuble, habe man mit Rumänien „intensiv sprechen“ müssen.

Kritische Stimmen an dem deutschlandzentrierten Vorhaben kamen schon zur Eröffnung. Der spanische Innenminister: Migration in Europa sei nicht nur eine Ost- West-Bewegung, sondern auch eine von Süd nach Nord. Während die ökonomischen Probleme Osteuropas in den kommenden Jahren vermutlich abnehmen würden, seien die nordafrikanischen Länder schon jahrelang in einer Krise ohne Besserungsaussichten. Die Innenminister Bulgariens und der Sowjetunion verlangten wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung. Der albanische Minister für öffentliche Ordnung, Bajram Yzeiri, sagte im Gespräch mit der taz, die Konferenz komme „ein bißchen verspätet“. Zwar habe der Westen jahrelang die Freizügigkeit gefordert, doch nachdem die europäischen Staaten „den Weg der Menschenrechte“ eingeschlagen hätten, sei dieser Weg „nicht begleitet“ worden.

Gastgeber Schäuble mochte keine ökonomischen Zusagen machen — „das war hier nicht Thema“ —, dennoch gelang es ihm, die Ost-West- Gegensätze unter einen Hut zu bekommen: Eine Arbeitsgruppe mit allen Konferenzteilnehmern soll die konkrete Umsetzung in die Wege leiten. Dazu wird unter anderem auch die Umschreibung nationaler Gesetze gehören. Den Vorsitz erhält Österreichs Innenminister Löschnak, der am Mittwoch in einem Interview erklärt hatte, Europa müsse spezialisierte Polizeieinheiten zur Bekämpfung der illegalen Migration aufbauen. Daneben sollen Ungarn und der jeweilige Vorsitzende des Schengener Abkommens (jetzt Italien) der Gruppe vorsitzen.

„A priori“ sei das keine Mauer, was da um Europa herum entstünde, sagte der Vertreter des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), Koisser. Vorsichtshalber schlug er vor, die Arbeitsgruppe möge einen UNHCR- Vertreter hinzuziehen. Dorothea Hahn, Berlin