Junkies dürfen jetzt ins Hotel ziehen

■ Gericht erinnerte Sozialbehörde an Unterbringungspflicht / Hoppensack vom Winter überrascht

Obachdachlose haben ein Recht auf Unterbringung, das hat das Bremer Verwaltungsgericht gestern in einer Eilentscheidung der Sozialsenatorin klargemacht. Per einstweiliger Verfügung schafften es 17 obdachlose Drogenabhängige, die von der Sozialbehörde verweigerte Unterbringung zu erzwingen.

Nach Auslaufen des Mietvertrages war ihre Wohnung am Donnerstag polizeilich geräumt worden, zunächst standen elf Junkies auf der Straße. Für eine Nacht konnten sie in der Drogenberatungsstelle (Drobs) unterkommen.

Für derartige Notsituationen stehen der Stadt eigentlich Wohncontainer zur Verfügung. Aber: Ohne Betreuung können die Junkies nicht in den Containern bleiben, darin sind sich die Sozialpolitiker einig. Georg Kurz von dem etablierten Drogenhilfe-e.V. erklärte nun am Freitag morgen, man könne vor dem 1. Dezember kein Betreuungspersonal für die Wohncontainer zur Verfügung stellen. „Man kann da nicht im Hau-Ruck Leute reinsetzen“, so Kurz. Grund: Erstens gebe das Unruhe unter den Anwohnern, zweitens wolle die Drogenhilfe nicht schon wieder finanzielle Vorleistungen geben und warte die Klärung der Finanzierung ab. Im übrigen: „Wir weigern uns, jedesmal für die Sozialsenatorin als Notnagel einzuspringen, wenn sonst unsere längerfristigen Konzepte abgeblockt werden!“

Den Notnagel hätte nun der eher alternative „AK Drogen“ gerne gespielt. „Innerhalb eines Tages könnten wir Personal bereitstellen“, meinte Klaus Hammer vom AK-Drogen, doch: Wenn die Betreuung schon an den Drogenhilfe-Verein übergeben worden sei, könne der AK-Drogen nichts machen. Hammer vermutet, daß die Drogenhilfe ihre Monopolstellung in Sachen Unterbringung verteidigen will. Einziger Kommentar von G. Kurz: „Die AK Drogen soll's gerne machen, aber die würden damit sowieso scheitern.“ So scheiterte die schnelle Hilfe.

Die 17 obdachlosen Junkies gingen gestern mittag mit formgerecht gestellten Anträgen zum Verwaltungsgericht und klagten auf Unterbringung. „Die Rechtslage ist eindeutig“, findet auch Hans Leppin, Abteilungsleiter des Amtes für soziale Dienste Mitte-West. Und so mußte die Behörde nach dem Gerichtsbeschluß am Freitag nachmittag fieberhaft Unterkünfte suchen — notfalls hätte ein Verwaltungsgebäude für ein paar Nächte beschlagnahmt

werden müssen. Übers Wochenende wurde für die Junkies erstmal Platz in einem Hotel und ei

nem großen Aus-und Übersiedlerwohnheim gefunden.

Der Drogenhilfe-Verein will in der nächsten Woche nun doch die Betreuung in Containern übernehmen, aber nur unter der Bedingung, daß bis April Häuser zur Verfügung stehen, da „Container eigentlich menschenunwürdig sind“. (Kurz)

Noch Freitag nachmittag tagte eine Krisenrunde, in der die Sozialverwaltung und die Innere Mission berieten, wie sie „längerfristig aus der Bredouille geraten“ können, so Staatsrat Hoppensack. Man sei schließlich innerhalb von drei Jahren von einem Wohnungsleerstand zum jetzigen Fast-Kollaps gekommen. Den Vorwurf der Drogenhilfe, die Behörde habe mal wieder verschlafen, daß der nächste Winter bestimmt komme, ließ er nicht gelten. Immerhin wurde gestern noch der Beschluß gefaßt, zwei größere Häuser mit jeweils 40 bis 50 Plätzen einzurichten, davon eines für Junkies. Das wird allerdings nicht vor Ablauf eines Jahres geschehen sein, und so lange wird der „Anwaltsnotdienst“ Nacht für Nacht damit beschäftigt sein, Obdachlosen per einstweiliger Anordnung einen Schlafplatz zu besorgen. Susanne Kaiser