Spartanisch minimalistisch

■ Die Underground-All-Star-Kapelle »Pigface« spielt morgen im Loft

Schweine grunzen, und Schweine werden gemästet. Schweine bluten aus und werden mit Kettensägen in verbraucherfreundliche Teile zerlegt. Und wer sich von ihrem Fleisch ernährt, schwabbelt selbst bald auf. Die fettglänzenden Gesichter und Leiber der Currywurstfresser an Imbißbuden sprechen da Bände.

Pigface ist ein 1989 von den Ministry-Mitgliedern Martin Atkins und Bill Rieflin gegründetes Studioprojekt. Und weil den beiden die musikalische Luft bei Ministry nach einer US-Tournee zu dünn geworden war, luden sie sich gleich ein paar Freunde ins Studio, um Neues zu kreieren. Mit dabei waren unter anderen Trevor Reznor von Nine Inch Nails und Chris Conelly, der sonst beider EBM-Combo Fini Tribe unter Vertrag steht. Mit dem Big Black Produzenten Steve Albini spielte der illustre Haufen sein erstes und bisher einziges Album »Gub« ein.

Pigface machen Industrial-Hardcore, aber immer verdammt urwüchsig, fast stammesrythmisch und haben ihren Namen einfach von der Band übernommen, bei der Atkins seine Karriere als Drummer vor etlichen Jahren begonnen hatte. Und weil auch sein alter Mitstreiter Rieflin dem Schlagwerk nicht abgeneigt ist, dreschen die beiden meist zu zweit auf die Felle und Schweineblasen, die den Groove, den Marsch und die Macht bedeuten.

Neben Pigface verblaßt selbst der teutonische Haudrauf F.M. Einheit zur fleischarmen Vorsuppe. Nur zu seinen besten 82er Abwärts-Der- Westen-Ist-Einsam-Zeiten hätte der Deutsche da noch mithalten können.

Der Baß wird bei den Pigs wahlweise von Rieflin selbst oder von Lard-Mann Paul Barker gezupft oder geprügelt und klingt wie das Rumpeln einer groben Holzplanke auf der einfach vier dicke Drahtseile festgeschraubt wurden.

Pigface sind extrem percussionslastig. Spartanisch, minimalistisch legen sie bestenfalls noch ein hohes Synthesizerflirren oder kurze, schrubbende Gitarrenriffs über ihre brachialen Rythmen.

Manchmal klingt die Underground-All-Star-Kapelle allerdings so seltsam vertraut und so richtig Seele- brennt-mäßig-tiefsinnig-germanisch. Und tatsächlich werden zwei Stücke der LP auf deutsch angestimmt. Es sind dies, und da lohnt sich ein Zitat allemal, zwei Versionen des schwerblütig, langen Therapie-Titels War ich nicht immer ein guter Junge? War ich nicht immer schön und nett? Ich zerpflückte niemals eine Spinne — war niemals frech und stahl!.

Auch wenn Pigface und ihr Gastsprecher En Esch von KMFDM noch so sehr bekunden, als Kids niemals geklaut zu haben, so dann doch spätestens in Chicago bei den Aufnahmen zu Gub, und zwar, denn was läge näher, bei den Einstürzenden Neubauten. Aber wen kümmert im Sample- Zeitalter noch, wenn da mal jemand stilistisch und in diesem Fall sogar handgemacht kopiert. Vielleicht ist das Stück ja sogar als Hommage an Blixa und Konsorten gedacht. Wer weiß? Andreas Kaiser

Pigface, 3. November, 20.30 Uhr im Loft