Schluckspecht als Bürgermeister

Göttingen (taz) — Mit einem gehörigen Kater und ohne Führerschein begann der neue Göttinger Oberbürgermeister Rainer Kallmann (SPD) seine Amtszeit.

Zwei Tage bevor das Kommunalparlament den hauptberuflichen Richter am vergangenen Freitag mit der Stimmenmehrheit von Sozialdemokraten und Grünen zum obersten Repräsentanten der Universitätsstadt kürte, erschütterte ein Skandal Rathaus-Fahrstühle und Lokalzeitungen. Auf dem nächtlichen Nachhauseweg war Kallmanns Wagen von der Polizei gestoppt, dem Kommunalpolitiker Blut und — wegen 1,51 Promille Alkohol in demselben — anschließend seine Fahrerlaubnis abgenommen worden. Der anerkannt trink- und lebensfreudige Jurist hatte sich, so war zu erfahren, am Rande einer Ausstellungseröffnung mit seinem christdemokratischen Erzrivalen Werner Freiberg so sehr gekabbelt, daß er die angespannten Nerven nur mit ein paar guten Schlucken aus der Pulle zu beruhigen vermochte. Wie aus dem Fraktionsbüro der SPD verlautete, war Kallmann der patrouillierenden Polizei aufgefallen, nachdem er einem Streifenwagen „etwas die Vorfahrt genommen hatte“.

Peinlich getroffen, gelobte der 50jährige Schluckspecht ob seines Fehlverhaltens öffentlich Buße. Das aber meinte er wohl eher moralisch, denn auch einen längeren Führerscheinverlust kann Kallmann locker wegstecken: Als Oberbürgermeister steht ihm für die kommenden fünf Jahre ein Dienstwagen mit Fahrer zu. Reimar Paul