Keine Wunderpille

■ Die Debatte um die RU 486 lenkt vom Kern der Abtreibungsdiskussion ab

Keine Wunderpille Die Debatte um die RU 486 lenkt vom Kern der Abtreibungsdiskussion ab

Eine Pille, die sich kaufen und schlucken läßt wie Aspirin und nach wenigen Stunden die längst überfällige Monatsblutung herbeiführt — welche Frau, die schon einmal ihren roten Tagen entgegengebibbert hat, wäre nicht dafür. Das als „Abtreibungspille“ populäre Hormonpräparat RU 486 ist ein solches „Wundermittel“ aber nicht. Auch wenn sie von enthusiastischen medizinischen ForscherInnen, ÄrztInnen, SchwangerschaftsberaterInnen, FamilienplanerInnen und FrauenpolitikerInnen gern in dieses Licht gerückt wird.

Die RU 486 ist bestensfalls eine Alternative zu den bisherigen Abtreibungsmethoden. Sie hat ihre Vorteile: ein operativer Eingriff und die damit verbundenen Risiken werden vermieden. Aber auch ihre Nachteile: So ist über die Langzeitfolgen des hormonellen Eingriffes noch nichts bekannt. Viele Frauen, etwa über 35jährige oder starke Raucherinnen, sollen diese Pille nicht nehmen. Darüber läßt sich aber forschen, aufklären, und es spricht vieles dafür, daß die RU 486 auch hier zur klinischen Erprobung zugelassen wird: daß Frauen, ähnlich wie bei der Verhütung, auch zwischen mehreren Abtreibungsmöglichkeiten wählen können.

Völlig unangemessen aber ist der Jubel über den unbewiesenen „medizinischen Fortschritt“. Wie „sanft“ und „schonend“ zum Beispiel die „Antibabypille“ war und ist, darüber gehen heute, nach 30 Jahren, die Meinungen weit auseinander. Und auch darüber, wie „frei“ die Pille macht(e). Genau mit dieser Freiheit aber, genauer: mit größerer Unabhängigkeit, argumentieren heute die BefürworterInnen der RU 486. Von größerer Selbstbestimmung durch weniger ärztliche Kontrolle ist die Rede. Die bisherige Praxis in Frankreich aber zeigt das genaue Gegenteil. Dort wird die Abtreibungspille nur unter strengen ärztlichen Auflagen und genauer Überwachung verabreicht. Ein tagelanges Prozedere. So einfach über den Ladentisch wird es die RU 486 also nicht geben. Das ist aus medizinischen Gründen nicht wünschenswert und aus politischen ausgeschlossen. Denn da ist das zukünftige Abtreibungsgesetz vor. An seinen Restriktionen führt auch diese Pille nicht vorbei. Denn es ist nicht logisch, daß ein Arzt/eine Ärztin zwar eine ambulante Absaugung verweigert, jedoch die RU 486 verschreibt und ihre Einnahme überwacht. Vor allem, wenn er/sie für die entsprechende Indikationsstellung gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Wenn Rita Süssmuth und andere CDUlerinnen jetzt für die Erprobung der Pille sind, heißt das für einen zukünftigen § 218 gar nichts. Und die Vermutung, daß hier plump von der Abtreibungsdebatte abgelenkt werden soll, ist nicht von der Hand zu weisen. Die „sanfteste“ und (nerven-) schonendste Abtreibungsmethode jedenfalls ist nach wie vor die Streichung desselben. Ulrike Helwerth