Stürmische See ohne Wind und Wellen-betr.: "Traueranzeige der lila offensive", taz vom 26.10.91

betr.: „Traueranzeige der lila offensive“, taz vom 26.10.91

[...] Vielleicht ist der Text einfach verdreht worden und Ihr wolltet eigentlich schreiben: „Nach langem Suchtum verstarb die lila offensive an Blutarmut und Gedankenleere, denn auf dem Erlöserinnenkongreß zu Weimar haben sich die anwesenden Frauen des Unabhängigen Frauenverbandes, unser liebgeschmähtes Kind UFV, von Zukunftsvisionen für eine gewesene Zeit verabschiedet und für einen Weg entschieden, der der jetzigen Realität entspricht.“

Ende 1989 sind wir zusammengekommen mit großen Zielen für eine frauengerechtere Gesellschaft neben der BRD. Ich denke, wir müssen auch zugeben, daß zu der Zeit eine allgemeine gesellschaftsverändernde Schubkraft da war (siehe andere BürgerInnenbewegungen, neue Parteien). Im Zusammenhang mit dem Vereinnahmungsprozeß ist der stürmische See jetzt ohne Wind und Wellen. Warum sollte es uns anders gehen als den anderen — Männern, Männern und Frauen?

Im letzten Jahr war es oft ein Kampf weniger Frauen, frauenpolitisch relevante Veränderungen zu beeinflussen und oft auch nur hinterherrennen zu müssen — vor Ort und landesweit. Dabei einen gemeinsamen Weg zu gehen und uns selbst treu zu bleiben, das war nicht leicht.

Frauenkongreß in Weimar=Erlöserinnenkongreß — da ist schon was Wahres dran. Wir haben uns erlöst von dem Druck, eine ganz andere, frauengerechtere Gesellschaft schaffen zu wollen und zu können mit nur wenigen Schwestern und von dem Traum, noch immer auf einer DDR-Insel zu leben. Wir haben uns wiedergefunden im kapitalistischen Ellenbogengerangel der bundesdeutschen Männer (und wie schnell sind DDR-Männer bundesdeutsche Männer geworden!).

Ich denke, wir würden uns selbst aufgeben, wenn wir uns ganz in dieses Gerangel, in den Strudel der Parteienhatz hineinbegeben. Wer in diesem Land mitreden will (ich trau mich kaum zu sagen „mitgestalten“), wird von Männernormen aufgesogen.

Bitter ist, daß wir uns auch anpassen müssen, wenn wir nicht auf einer Insel leben wollen. Klugheit und Umsicht sind gefragt, inwieweit wir uns anpassen oder ausgrenzen, damit wir uns weiterhin wie Backpulver einmischen können. Backpulver und Stecknadeln waren wir schon in der Friedensfrauenbewegung der DDR. Der rote Faden von dort ist für mich wieder sichtbar geworden seit der Entscheidung in Weimar — der UFV ist nun ein eingetragener Verein und keine Partei. Christiane Zachen, Magdeburg