Gegen die „gepflegte Aufregung“

■ Landeszentrale für politische Bildung: Zehn Zwischenfragen zum Asylstreit

„Lieber Papa! vor einer Stunde wurden wir in Bremen Vegesack von einer Ausländerbande überfallen. Die Täter kamen mit Autos und sind sofort mit Stangen, Messern und abgebrochenen Bierflaschen auf uns losgegangen....Dein Gerhard.“ Gerhards „Papa“, der bundesweit bekannte Rechtsradikale Gerhard Frey, hat mit diesem Brief vor der Bürgerschaftswahl im September gezielt JungwählerInnen angeschrieben. Und die haben bekanntlich zu einem hohen Prozentsatz DVU gewählt.

„Liebe Schüler aus der 8. Klasse in der Immanuel-Kant- Schule/Bremerhaven“, schrieb ein anonymer DVU-Anhänger, „stellt Euch mal vor, die Deutschen würden solch eine große Masseneinwanderung in die Türkei machen, wie die Türken hier in Deutschland!...Wo bleiben wir denn mal eines Tages?“

Solche Menschen und solche Meinungen sollen künftig nicht mehr plakativ gegeißelt, sondern ernst genommen werden, fordert Herbert Wulfekuhl, Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung. Wulfekuhl hat „Zehn Zwischenfragen zum Streit um das Asylrecht“ formuliert, die in diesen Tagen an Parteien, Kirchen, Kulturvereine, und Bürgerhäuser verschickt werden. Wulfekuhl will mit seinen Fragen „Reibungen“ auslösen. Es müsse verhindert werden, daß Bremen, wie nach dem erstmaligen Einzug der DVU in die Bürgerschaft 1987 ein Jahr lang „gepflegte Aufregung“ herrscht und dann wieder alle zur Tagesordnung übergehen.

Was bringt es, wenn der DVU- Abgeordnete Hans Altermann in der Elefantenrunde zur Wahl am Katzentisch sitzt? Warum kriegen Aussiedler eine Sozialwohnung, während BremerInnen endlos auf der Warteliste stehen? Haben AnwohnerInnen nicht das Recht, sich heimatlos zu fühlen, wenn in ihrem Stadtteil über 30 Prozent Ausländer wohnen? Diese und ähnliche Fragen müssen laut Herbert Wulfekuhl öffentlich diskutiert werden können, um die Identifizierung sozial Benachteiligter mit den Rechtsextremen aufzubrechen. Auch die Einsetzung des Verfassungsschutzes zur Observation „mafioser Drogensyndikate“ und die Abschaffung des Grundgesetzartikels 16, Absatz 2 „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ sind für ihn keine heiligen Kühe. Dabei fühlt er sich in guter Gesellschaft: er beruft sich auf den FDP-Politiker Martin Bangemann und andere Europapolitiker, die Artikel 16 per EG- Recht kippen wollen. Dann würden Zuwanderungsquoten das bisherige Asylrecht ablösen.

28.572 Stimmen hat die DVU im Land Bremen bekommen. Zählt man die Nichtwähler dazu, die den Demoskopen versichert haben, sie hätten rechts gewählt, wenn sie zur Wahl gegangen wären, ist man bei der Population einer mittleren Kleinstadt angelangt, so Wulfekuhl, „ein Potential, das man nicht einfach separieren kann.“ Aus dem Fragenkatalog soll in der Diskussion mit Meinungsträgern in den Stadtteilen ein Schwerpunktprogramm für die nächsten zwei Jahre entwickelt werden.

Dabei greift Wulfekuhl auch auf die Hilfe von Statistikern zurück. In Stadttteilen mit hohem rechten Stimmenanteil wird schon jetzt zum Beispiel gezielt für Fahrten in die Türkei geworben, denn „wenn die Leute erstmal da waren, sehen sie ihre türkischen Nachbarn mit anderen Augen.“

asp