KOMMENTAR
: Kasperletheater

■ Die Humboldt-Universität wird unerbittlich gewestet

Ist der Asta die bewährte, bessere Alternative zum Studentenrat? Das können die Berliner Hochschulpolitiker im Ernst nicht behaupten. Seit Jahren werden die Asten an der FU (vor allem), aber auch an der TU in der Öffentlichkeit und in der Studentenschaft nicht mehr ernstgenommen. Der Grüppchen- und Parteienklüngel erweckt den Eindruck von großem Kasperletheater. Studentische Wahlbeteiligungen um die zwanzig Prozent dokumentieren die Massenbasis des Modells Studentenparlament.

Was läge näher, als die an der Humboldt-Universität entwickelte Alternative Studentenrat auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen? Aber die Studentenratsidee ist ein Produkt der DDR-Bürgerbewegung, was nicht in das westdeutsche Schema der Parteiendemokratie paßt. Von Anfang an haben die Vereinigungspolitker sorgfältig darauf geachtet, daß das westliche Parteienwesen und -unwesen bedingungslos auf den Osten übertragen wird, daß bürgerbewegte Prinzipien keinen Eingang in die Politik finden. Nun räumen Berliner Großkoalitionäre einer Organisationsform aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung nicht einmal auf dem marginalen Politikfeld studentischer Interessenvertretung ein Existenzrecht ein. Deutlicher könnten sie kaum demonstrieren, wie stur und unerbittlich sie das westliche »Vorbild« auf den Osten übertragen. Es stünde ja nicht das Schicksal der Humboldt-Universität auf dem Spiel, falls das Experiment Studentenrat scheitern sollte.

Es ist richtig: Das Gros der Humboldt-Studenten ist offenbar politikmüde, und ohne ihr Engagement kann es auf Dauer keinen Studentenrat geben. Andererseits: An keiner westdeutschen Universität kümmert sich die Studentenvertretung so ernsthaft, geradezu liebevoll um die Geschicke ihrer Hochschule wie der Studentenrat an der Humboldt-Universität.

Für ein endgültiges Urteil ist die Zeit noch nicht reif. Aber die Phantasie der Koalitionspolitiker reichte nicht so weit, dem Studentenrat zumindest ein Existenzrecht auf Zeit zu gewähren, und nach ein paar Jahren das Modell zu überprüfen. Oder sollten die Koalitionspartner in dieser Frage strategischen Weitblick bewiesen haben? Sollten sie geahnt haben, welch subversive Kraft in der Studentenratsidee steckt? Sind doch Jusos und RCDSler in den Studentenparlamenten eine Art Juniorenmannschaft der Parteien, aus der sie ihren Nachwuchs rekrutieren. Was aber, wenn Junioren an den Hochschulen nicht mehr Parteipolitiker sind, sondern Räte? Vom Studentenrat zur Apokalypse der Parteiendemokratie? So bewahrt der Senat Berlin vor der Wiederauferstehung des alten Lenin. Winfried Sträter