Asyl in der Küche

„Dreckats Geschirr“ am Münchner Volkstheater  ■ Von Margit Knapp Cazzola

Ein deftiger Anfang zeigt gleich allen, was gespielt wird: Der Küchengehilfe Mirko tritt auf, hebt den Deckel von einem großen Kochtopf und spuckt lauthals hinein. Es ist früh morgens, und die Küche des Ristorante Gondols blitzt noch vor Sauberkeit. Aber schnell füllt und verwandelt sie sich mit bunten Gestalten in einen Arbeitsplatz besonderer Art: Denn die drei Küchenhilfen und die drei Serviererinnen, die hier einen Job gefunden haben, sind illegale Immigranten, sie arbeiten schwarz; der Geschäftsführer und seine Assistentin tun ein gutes Werk und machen vor allem ein gutes Geschäft.

Dirty Dishes, das schon 1964 geschriebene Stück des Londoner Dramatiker-Jungstars Nick Whitby, handelt von Ausländern; deren Arbeit, Hoffnungen und Ängste und ergeben demnach ein brisantes Stück. Während in der englischen Originalfassung die illegalen Ausländer aus Argentinien, Brasilien und Kolumbien stammen, hat man sich in der Bearbeitung für das Münchner Volkstheater an die deutschen Verhältnisse angepaßt. Mirko kommt aus Jugoslawien, Emile aus Mauretanien, Mehmet aus Ankara, Marie- Claire aus dem Senegal, Insuk aus Asien. Gespielt wird auf Bayerisch, eine Neubearbeitung der bereits existenten hochdeutschen Fassung. Die Umsetzung in den alpenländischen Dialekt wirkt an den meisten Stellen — dort, wo er konsequent weitergeführt wurde — geglückt, doch die Inszenierung von Rolf Stahl steht sich des öfteren selbst im Weg. An den schönsten und dichtesten Stellen zerstört sie frühzeitig die aufgebaute Spannung, etwa wenn Mehmet den Chef mit dem Messer bedroht und der ansonsten unerschrockene Kapitalist langsam seine Überlegenheit verliert — statt die im Raum knisternde Spannung kurze Zeit stehen zu lassen, wird der tote Emile sofort entdeckt.

Die Situation der Ausländer ist verzweifelt, sie werden geschunden und ausgenutzt. Leider arbeitet das Drama dort mit alten Klischees, wo es mit konkreten Informationen neues Verständis schaffen könnte. Die Figuren bleiben zu abstrakt, sind dramaturgisch schlampig durchgestaltet — wofür unter anderem die vagen Herkunftsbezeichnungen sprechen —; man erfährt zu wenig von ihnen. Sie sollen eine allgemeine ausländerfeindliche Haltung an- und beim Zuschauer eine andere Haltung einklagen, das ist alles, und das ist schade, denn es ist zu wenig. Wobei die SchauspielerInnen — allen voran Lorenz Gutmann mit seiner geballten und gefährlich zurückgehaltenen Aussagekraft, die sofort Spannung erzeugen kann — durchaus zu differenzierteren Figurendarstellungen fähig gewesen wären.

Das Bühnenbild ist ein wenig zu schick geraten für ein Restaurant, das sich so billiger Arbeitskräfte bedient. Sehr schön die Idee des zweiten Spielorts: Die Toilette im ersten Stock ist gleichzeitig der Abzugschacht, je nachdem, ob die rolladenartige Vorrichtung geöffnet oder geschlossen ist.

Alle haben eine große Wut im Bauch. Sie müssen für den Silvesterabend mit doppeltem Einsatz arbeiten, weil das böse Ausbeuterhirn des Geschäftsführers es so will. Der hat nämlich seine zweite Belegschaft entlassen und muß nun die „Illegalen“ dazu bringen durchzuarbeiten. Rüdiger Hacker tritt einmal als guter Rudi und einmal als böser Rüdiger (oder war es umgekehrt?) auf. Auch wenn dieses Spiel an Der gute Mensch von Sezuan erinnert, wo es durchaus plausibel ist, wirkt es hier unnötig. Daß sich die beiden zu nahe sind, ein leichter Gag, zu oft betont.

Gegen Ende schließlich stirbt Emile an einer Überdosis Drogen — auch hier keine Konkretisierung, alles bewegt sich in Andeutungen. Der Morgen graut, die anstrengende Silvesternacht ist zu Ende, das „dreckate Geschirr“ häuft sich, alle sitzen um den Tisch und überlegen, was mit dem Toten geschehen soll. Der Geschäftsführer will ihn natürlich verschwinden lassen, um keine Scherereien mit der Polizei zu bekommen. Er überredet seine Angestellten — eine der stärksten Szenen des Abends — auf ein Tonband einen Schwur zu sprechen. Aber auch diese Stelle wird kaputt gemacht, indem Rudi=Rüdiger den Vorschlag macht, Emile zu zerstückeln und im Kochtopf zu kochen. Makaber um des Makaberen willen. Jedenfalls sind wir derart wieder beim Kochtopf angelangt. Die überlebende ausländische Crew darf ihren Arbeitsplatz behalten.

Münchner Volkstheater: Dreckats Geschirr (Dirty Dishes). Stück in zwei Akten. Regie: Rolf Stahl. Bühne: Regina Öschlberger. Mit Drago Ragutin, Jean-Claude Mawila, Lorenz Gutmann, Evelyn Plank, Yu Lihang, Bibina Fuchs, Elisabeth Romano, Rüdiger Hacker. Nächste Aufführungen erst wieder am 24./25.11.