: Carrington gibt Serbien allerletzte Frist
■ Genscher fordert Sanktionen über die in Brüssel geplanten wirtschaftlichen Maßnahmen hinaus
Den Haag/Belgrad/Bonn (taz/afp/ dpa/ap) — Die jüngste Runde der Jugoslawien-Friedenskonferenz in Den Haag ist gescheitert. Lord Carrington, der das Treffen leitete, will am Freitag die Konferenz einfrieren, wenn der am Dienstag abgeschlossene Waffenstillstand, der am Mittwoch massiv durchbrochen wurde, bis dann nicht respektiert wird. Am Freitag will der britische Diplomat den Außenministern der EG in Rom Bericht erstatten. In der Zwischenzeit ist Carrington zusammen mit dem UNO-Sonderbeauftragten für Jugoslawien, Cyrus Vance, nach Belgrad geflogen, um sich dort mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, dem jugoslawischen Verteidigungsminister Veljko Kadijevic und weiteren Politikern zu treffen. Daß Serbien aber in letzter Minute dem EG-Friedensplan, der die Umwandlung Jugoslawiens in einen lockeren Bund souveräner Staaten, den Rückzug der Armee aus Kroatien und die Anerkennung der bestehenden innerjugoslawischen Grenzen vorsieht, doch noch zustimmt, scheint ausgeschlossen. Die mit Vorsicht zu genießende jugoslawische Nachrichtenagentur 'Tanjung‘ meldete, daß sich Vance nach einem Treffen mit dem jugoslawischen Ministerpräsidenten Ante Markovic gegen Sanktionen ausgesprochen habe, weil „ein überstürztes Vorgehen negative Folgen haben“ könne.
Doch aller Voraussicht nach werden die EG-Außenminister noch am Freitag das Sanktionsbündel, das sie am Montag in Brüssel geschnürt haben, in Kraft setzen. Bundesaußenminister Genscher verlangte am Mittwoch zusätzlich zu den von der EG geplanten Sanktionen — Kündigung des Kooperationsabkommens, Streichung von Finanzhilfen und Zollvergünstigungen — einen Lieferstopp für strategische Güter, Erdöl, Kohle und Stahl, die Kündigung von Verkehrsabkommen und das Einfrieren von Konten der Belgrader Zentralbank sowie der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit. Auch Bundeskanzler Kohl setzte sich in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag für zusätzliche Sanktionen ein.
Genscher fordert vor allem, daß es der jugoslawischen Armee über ein Ölembargo erschwert wird, weiter Luftangriffe gegen kroatische Städte zu fliegen. Zu Meldungen, Griechenland werde am Freitag in Rom Sanktionen ablehnen, sagte Genscher, dies sei schwer vorstellbar, da Athen am Montag in Brüssel dem Sanktionspaket zugestimmt habe. Ein Veto Griechenlands würde, so der Außenminister, eine schwere Krise in der EG heraufbeschwören. Griechenland, das als einziges EG-Land mit Jugoslawien eine gemeinsame Grenze hat und Waren in großem Umfang über Serbien nach Westeuropa ausführt, würde bei einem totalen Handelsembargo massive wirtschaftliche Einbußen erleiden. Die Sowjetunion, wichtigster Erdöllieferant Jugoslawiens, würde seinen Handelsverkehr mit Serbien einstellen, wenn der UNO- Sicherheitsrat entsprechende Maßnahmen beschließen würde. Dies meldet die sowjetische Nachrichtenagentur 'Interfax‘ unter Berufung auf einen nicht genannten Mitarbeiter im sowjetischen Außenministerium. thos
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