US-Bundesstaat Pennsylvania bestraft Bush

Sensationserfolg des demokratischen Kandidaten bei Senatorenwahl/ Die Wahl galt als Referendum über die Politik George Bushs/ Geplante Fernostreise wegen innenpolitischer Schwierigkeiten abgesagt/ Plötzliche Hoffnung für Demokraten  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Für die Demokraten war es der süßeste Sieg seit Jahren, für den US-Präsidenten und seine Republikaner die schlimmste Niederlage seiner Präsidentschaft. Im US-Bundesstaat von Pennsylvania schlug der nahezu unbekannte demokratische Kandidat Harris Wofford George Bushs ehemaligen Justizminister Richard Thornburgh, der als ehemaliger Gouverneur des Arbeiterstaates mit einem Vorsprung von über 40% in den Meinungsumfragen ins Rennen gegangen war. Wofford war in seinem Wahlkampf gelungen, was viele demokratische Kandidaten im gerade beginnenden Präsidentschaftswahlkampf erst noch versuchen wollen: sich mit dem nachdrücklichen Eintreten für eine verbesserte Kranken- und Arbeitslosenversicherung als volksnahe „Outsider“ gegenüber dem politischen Prozeß in Washington zu präsentieren, der statt fühlbarer Reformen nur noch Skandale hervorzubringen scheint.

Die Senatorenwahl von Pennsylvania war vor allem von den Demokraten als Referendum über die Politik der Bush-Administration dargestellt worden, für die der Friedensprozeß im Mittleren Osten wichtiger zu sein scheint als die Lage im amerikanischen Mittelwesten. Seit Wochen sind die Medien voll mit Berichten über die Angst der Amerikaner vor einem erneuten wirtschaftlichen Einbruch und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes. Die bisher schwindelerregende Popularitätskurve des Präsidenten zeigte in den letzten Umfragen einen ungewohnten Knick. Und als hätte George Bush die Niederlage von Pennsylvania geahnt, hatte er bereits am Vortag seinen für Ende November geplanten Besuch in Japan und Fernost verschoben.

In einer gestern morgen kurzfristig anberaumten Pressekonferenz vor seiner Reise zum Nato-Gipfel nach Rom und zum US-EG-Wirtschaftstreffen nach Den Haag gab sich Bush denn auch höchst besorgt über das Schicksal der Arbeitslosen und der Opfer der wirtschaftlichen Malaise. Für die sozial- und wirtschaftspolitische Inaktivität seiner Administration machte er jedoch die angebliche Blockadepolitik der demokratischen Mehrheit im Kongreß verantwortlich; eine Strategie, wie er sie auch im Präsidentschaftswahlkampf verfolgen dürfte.

Das schlechte Image Washingtons und des Kongresses draußen im Lande waren an diesem traditionellen Wahltag im November auch Abstimmungsgegenstand im nordwestlichen Bundesstaat von Washington. Doch trotz der Unzufriedenheit vieler Wähler mit ihren Vertretern in der US-Hauptstadt scheiterte ein Antrag zur Begrenzung der Amtszeit von Senatoren und Kongreßabgeordneten am Ende an deren geschickter Gegenpropaganda. Auch die anderen zunächst aussichtsreichen Initiativen in dem Bundesstaat an der kanadischen Grenze scheiterten knapp. So etwa der Versuch, die Abtreibungsfreiheit durch ein Staatsgesetz zu sichern, auch wenn sie auf nationaler Ebene demnächst weiter eingeschränkt werden sollte.

Die Abstimmungen bei den übrigen Gouverneurs-, Staatsparlaments- und Bürgermeisterwahlen brachten allerdings auch Erfolge für Republikaner. Überall dort, wo Demokraten wie in New Jersey mit durchgeführten oder geplanten Steuererhöhungen in Verbindung gebracht werden konnten, gewannen die Republikaner. Verbesserungen der Sozialleistungen ja, so lautete die widersprüchliche Botschaft der Wähler an diesem Dienstag im November, aber bitte nicht über Steuererhöhungen!

Trotz dieser Warnung an allzu spendierfreudige Demokraten gab es im Kongreß gestern nach langer Zeit wieder strahlende Gesichter. Mit ihrer Stimme für den ehemaligen Kennedy-Berater Wofford haben die Wähler in Pennsylvania den Demokraten den Weg für ihre Präsidentschaftskampagne gewiesen: das Aufgreifen von sozialpolitischen Themen und die Wiederentdeckung der amerikanischen Mittelklasse, die sich über ihre wirtschaftliche Strangulierung gerade besonders beschwert. In diesem Zusammenhang erwies sich auch das von Wofford vorgeschlagene System einer nationalen Krankenversicherung nach kanadischem oder europäischem Vorbild plötzlich als politischer Renner. Obwohl 37 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung sind und sich selbst viele Mittelkläßler die rasch steigenden Beiträge der privaten Krankenversicherung kaum noch leisten können, hatte die Bush-Administration dieses Thema bisher sträflich vernachlässigt.

Die Chancen der Demokraten für eine Rückgewinnung der ihr in den Reagan-Jahren verloren gegangenen Wähler stehen dabei nicht schlecht. Die Nicht-Kandidatur Jesse Jacksons wird ihren Wahlkampf durch die Serie der Vorwahlen im nächsten Jahr entzerren, indem sie den Einfluß der Parteilinken und Minderheiten auf die Kandidatenauswahl reduziert. Sollte sich nach dem Sieg von Pennsylvania jetzt auch noch der New Yorker Gouverneur Mario Cuomo als der potentiell aussichtsreichste Herausforderer Bushs zur Kandidatur entschließen, stünde den USA ein hochinteressanter Wahlkampf bevor. Unschlagbar jedenfalls, wie noch vor Monaten, erscheint Präsident Bush in diesen Tagen nicht mehr.