Schäuble: Keine Fluchthilfe für Schalck

 ■ Aus Bonn Th. Scheuer

Der frühere DDR-Devisenagent und zeitweilige deutsch-deutsche Unterhändler Alexander Schalck-Golodkowski hat im Dezember 1989 gegenüber Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zwar Besorgnis über seine persönliche Sicherheit in der DDR und auch vage Andeutungen eines Wechsels in die Bundesrepublik, jedoch keine konkreten Fluchtpläne geäußert. Auch seien ihm von Bonner Seite nie Zusicherungen gegeben worden. Dies erklärte Schäuble am Mittwoch vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages in Bonn.

In seiner Eigenschaft als Chef des Bundeskanzleramtes hatte Schäuble ab Dezember 1984 immer wieder vertrauliche Gespräche und Verhandlungen mit Schalck-Golodkowski geführt. Themen der Gespräche, die anfangs in Schalcks Ostberliner Privatwohnung, später auch in Schäubles Dienstzimmer im Kanzleramt stattfanden, waren innerdeutsche Problemkreise wie die Transitpauschale, der Swing (Überziehungskredit), Reiseerleichterungen oder die Einschränkung des Zuzuges von Asylbewerbern über den Ostberliner Flughafen Schönefeld nach West-Berlin. Schäuble gab an, von Schalck selbst über dessen Angehörigkeit zur Stasi erfahren zu haben. Auch über Schalcks damaligen kurzen Draht zum CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß sei er im Bilde gewesen. Der Minister räumte ein, daß eine vom Bundeskanzleramt für den Ausschuß erstellte Liste seiner Treffs mit Schalck unvollständig sei. Als Erklärung dafür gab er an, daß über diese Treffs bisweilen keine Aufzeichnungen gefertigt wurden.

Auch nach seinem Wechsel an die Spitze des Innenministeriums traf Schäuble noch mehrmals mit Schalck zusammen, teilweise gemeinsam mit seinem Nachfolger als Kanzleramtschef, Rudolf Seiters. Noch während der Wendewirren im Oktober/November 1989 begegneten sich Schäuble und Schalck mehrmals. In seinen jüngst durch Presseveröffentlichungen bekannt gewordenen Aufzeichnungen, die Schäuble auf Nachfrage übrigens „sauber protokolliert“ findet, erweckt Schalck den Eindruck, er habe zu Schäuble ein besonderes Vertrauensverhältnis empfunden. Entschieden wies Schäuble jedoch Spekulationen zurück, er habe mit Schalck dessen Flucht besprochen. Schalck habe bei den letzten Gesprächen lediglich vage angedeutet, es könne in der DDR, etwa im Rahmen von Machtkämpfen innerhalb der SED, eine Lage entstehen, in der er zum Sündenbock gerate und seines Lebens nicht mehr sicher sei. Zwar habe Schalck ihn noch am 2. Dezember 1989 von Stuttgart aus, wo er sich in offizieller Mission beim Präsidenten des Diakonischen Werkes aufhielt, angerufen. Seine kurz bevorstehende Flucht habe Schalck dabei nicht erwähnt. Als Schalck ihn wenig später aus seinem Versteck in West- Berlin anrief, habe er ihm lediglich geraten, sich der Justiz zu stellen. Hilfeleistungen habe er, so Schäuble, dem KoKo-Boß nie in Aussicht gestellt.

Störrisch reagierte Schäuble, als er nach dem Inhalt einiger „privater“ Briefe von Schalck nach dessen Übertritt angesprochen wurde. Er habe sie wohl vernichtet; vielleicht auch irgendwo zu Hause vertrödelt. Auch wenn er sie wiederfände: Dem Ausschuß will er sie, da sie rein privat seien, auf keinen Fall zur Verfügung stellen. Die Anhörung Schäubles dauerte bei Redaktionsschluß noch an.