Autofahren ist megaout, Bus und Bahn ein bißchen in

■ Untersuchung belegt: BremerInnen fordern eine Politik weg vom Auto / Das Auto ist längst nicht das schnellste Verkehrsmittel

Wenn die Koalitionsverhandlungen jetzt ins Detail gehen, dann können die VertreterInnen von SPD, Grünen und FDP in einem Punkt sicher sein: Wenn sie sich auf eine klare Politik „weg vom Auto“ einigen, dann haben sie die Mehrheit der BremerInnen hinter sich. Das belegt eine Untersuchung zum „Mobilitätsverhalten in Bremen“, die am Dienstag abend im Schütting, dem Haus der Handelskammer, vorgestellt wurde. Im Auftrag der Bremer Straßenbahn AG hatte das auf diese Thematik spezialisierte Münchner Institut Socialdata im Oktober eine Meinungsumfrage zur Verkehrssituation in Bremen durchgeführt und war dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Kernpunkt: Das Problembewußtsein in Sachen Verkehr ist bei den BremerInnen bei weitem ausgeprägter, als die Politik dies bislang unterstellt. Ein Beispiel: Auf die Frage, ob im Konfliktfall der ÖPNV oder der PKW bevorzugt werden solle, entschieden sich 88 Prozent der Befragten für die umweltfreundlichen Bahnen und Busse. Und die BremerInnen fordern Konsequenzen von der Politik. 86 Prozent sagen: Für Bahn und Bus muß mehr öffentliches Geld ausgegeben werden. Fazit des Verkehrsuntersuchers Werner Brög: „Das Umdenken ist sehr weit vorangeschritten. Die Bürger wollen eine andere Verkerspolitik.“

Für die überwältigende Mehreheit der BremerInnen ist das Auto nämlich längst mehr Last als Lust. 89 Prozent sagen „Nein“ zu mehr Autos in der Stadt. Und nur noch 17 Prozent halten den derzeitigen Zustand für „gut erträglich.“ Daß die Politik den Kurswechsel noch nicht eindeutig nachvollzogen hat, liegt nach Einschätzung von Sozialdata an dem eigenen Verhalten der Meinungsmacher und Entscheidungsträger. Die Männer zwischen 20 und 60 sind die einzige Personengruppe, die sich Mobilität vor allem im eigenen Auto vorstellen können. 59 Prozent der 20 bis 60jährigen benutzen für ihre Wege das Auto. Bei den Frauen sind es lediglich 21 Prozent.

Mit dem Mythos, daß das Auto das mit Abstand schnellste Verkehrsmittel ist, räumt Socialdata gründlich auf. Obwohl die Situation auf Bremens Straßen im Vergleich zu anderen Großstädten relativ entspannt ist, erreicht ein Auto, von Haustür zu Haustür gerechnet, auf einer Strecke von 3 Kilometern lediglich 14 Stundenkilometer. Über dreißig Kilometer Durchschnitt kommt ein Auto in der Stadt nie. Dennoch benutzt ein Viertel aller Bremer für eine Strecke bis zu drei Kilometern das Auto, bis zu 5 Kilometer sind es gar 42 Prozent.

In Bewegung sind die Autos im Schnitt nur 41 Minuten. Das heißt: 96 Prozent seiner Lebensdauer steht das Blech nutz- und sinnlos in der Gegend herum.

Auch wenn die BremerInnen das Auto nicht mehr mögen, den Öffentlichen Personennahverkehr lieben sie deswegen noch lange nicht. „Ein gespanntes Verhältnis“ zu Bahn und Bus hat Brög bei seiner Befragung festgestellt. Nur 42 Prozent sind mit dem Angebot zufrieden.

Auch die Verfechter einer autofreien Innenstadt können aus dem Gutachen Honig saugen. Denn gerade bei den Fahrten in die Innenstadt haben Bahn und Bus bereits heute eine große Akzeptanz. 58 Prozent derjenigen, die in der Stadt einkaufen wollen, kommen mit den Fahrzeugen der BSAG, nur 13 Prozent mit dem Auto. Bei allen Fahrten in die Stadt springt die Zahl der Autobenutzer auf 24 Prozent: Ein Indiz dafür, daß viele, die in der Innenstadt arbeiten, noch nicht auf ihr Auto verzichten mögen.

Da sprach in der Diskussion auch der Vertreter der Handelskammer von einer „Basis für die künftige Diskussion.“ Er meinte allerdings, daß Autofahrer wegen der bestehenden Erschwernisse nicht mehr als Käufer in die Stadt kämen und der Einzelhandel deswegen ausblute. In München und Hannover sei die Situation für die Händler viel besser. Konterte Verkehrsuntersucher Werner Brög: „Dort sind die Ergebnise für den öffentlichen Verkehr noch besser.“ Holger Bruns-Kösters