"Weg mit dem Kleinmut"

AMPELDEBATTE

„Weg mit dem Kleinmut“

Während über die Ampel-Koalition hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, werden ihr Für und Wider in Parteien, Initiativen und politischen Freundeskreisen debattiert. Die taz-Bremen bietet jetzt täglich diesen Platz für öffentliche Zwischenrufe.

Was ist eigentlich in die Grünen gefahren? Wo ist die Lust am Mitmischen, Verändern, Ausprobieren geblieben? Sie scheint sich unter der Last der Verantwortung aufgelöst zu haben, und so paradox es klingen mag: Sowohl die Verhandlungsgegner als auch die Befürworter scheinen die gleiche Vorstellung des Zusammenhanges von grüner Politik und grünem Projekt zu haben — und diesen gründlich mißzuverstehen.

Die Verhandlungskommission hat sich auf die Herstellung eines Gesamtkonzeptes grüner Politik oder doch zumindest grün zu vertretender Politik eingelassen und hakt inhaltsleere Konsenspunkte ab. Die Verhandlungsgegner beschwören ebenfalls ein Gesamtkonzept grüner Utopie und finden nichts davon in den Darstellungen der Kommission wieder. Beide Gruppierungen wollen „bloß alles“, die einen ausweglos moderat, die anderen ausweglos radikal. Und beide sind dadurch — wenn auch mit unterschiedlichen Konsequenzen — auf die gleiche Weise verstrickt in eine selbstgesetzte Überforderung, die in Kleinmut und Mutlosigkeit enden muß.

Die Grünen sind eine 11%-Partei. Damit verändert man die Gesellschaft nicht, auch dann nicht, wenn es gelänge, den schwergewichtigen SPD-Betonklotz in Bewegung zu setzen — was für sich schon ein großer Erfolg wäre. Und das ist auch gut so, denn Gesellschaftsveränderung findet nur konsensuell und von unten statt, nicht mit rechnerischen Mehrheiten von oben. Dennoch reichen die 11% dafür, auf zwei bis drei Gebieten, für die wir uns politisch und aufgrund unserer Ideen und unseres Könnens entscheiden, neben den Alltagsgeschäften eine Politik der Modellprojekte zu machen. Dort können wir zeigen, wozu grüne Politik auch auf anderen Gebieten fähig wäre, wenn wir mehr Unterstützung in der Bevölkerung finden als es zur Zeit der Fall ist. Für diese Gebiete müßte die Verhandlungskommision sich stark machen, gegenüber den möglichen Koalitionspartnern und gegenüber der eigenen Partei. Und dafür müssen wir bereit sein, andere Sachgebiete zu opfern. Das ist der Kompromiß, den die Grünen sich selbst und den anderen abverlangen müssen.

Grüne Politik kann nicht darin bestehen, jeden Poltikbereich grün strukturieren zu wollen, daran notwendig zu scheitern und sich beleidigt in die Opposition zurückzuziehen. Damit würden wir die letzte Wahl auch gründlich mißverstehen. Das Nein zur SPD war noch lange kein Mandat für „alles grün“.

Also weg mit dem Kleinmut, den vollen Hosen und der stilisierten Angst vor dem Wagnis. Wir haben wenig Raum in einer Ampel, aber den sollten wir nutzen, und zwar kompetent und neugierig. Das wird keine Bürgerinitiative überflüssig machen, aber doch mehr sein als nur symbolische Politik. Thomas Krämer-Badoni

Der Autor ist Professor für Soziologie und ehemaliger Landesvorstandsprecher der Grünen

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