Tellers „Wackelpudding“

■ Oxforder EG—Fusionsforscher machen Schritt nach vorn

Berlin (taz) — Das superheiße Wasserstoff-Plasma elektromagnetisch einzuschließen, sei wie das Einsperren eines Wackelpuddings mit Gummibändern. Mit diesem plastischen Vergleich erklärte der Altmeister der Atomphysik und Erfinder der amerikanischen Wasserstoffbombe, Edward Teller, die Aufgabe, die Atomphysiker aus 14 europäischen Ländern am Samstag in Culham bei Oxford erstmals gelöst haben — wenn auch nur für zwei Sekunden. Die Verschmelzung von Deuterium und radioaktivem Tritium erzeugte kurzzeitig bis zu zwei Megawatt Fusionsenergie. Der Jubel der Forscher war unüberhörbar und sollte auch bis Brüssel schallen. Ging es doch auch um ihre Zukunft. Fast drei Milliarden Mark hat die Fusionsforschung im britischen Culham die Geldgeber in der EG bislang gekostet. Die Wissenschaftler, unter ihnen auch Forscher vom Max-Planck-Institut für Plasma-Physik in München- Garching, standen unter starkem finanziellen Druck der EG. Bei der Fusion versuchen Wissenschaftler die Energieerzeugung der Sonne zu kopieren. Wasserstoffkerne werden im Reaktor durch die ungeheure Hitze von 200 Millionen Grad Celsius (10 mal höher als im Kern der Sonne) in einen Plasma- Zustand versetzt. Die Moleküle stoßen dann mit großer Geschwindigkeit aufeinander und verschmelzen zu Helium. Dabei setzen sie Neutronen und Energie frei — die soll genutzt werden. Doch an die Fusions-Energie ist nur schwer heranzukommen. Die Atomphysiker müssen die Reaktions-Temperaturen erst einmal erzeugen. In einem normalen Reaktorkessel würde sich das Plasma bei jedem Kontakt mit der Reaktorwand soweit abkühlen, daß die Reaktion zum Erliegen käme. Verunreinigungen beim Kontakt mit den Werkstoffen der Reaktorwand erschweren die Reaktion zusätzlich. Teure High-Tech ist nötig: Die Forscher haben ein immenses elektromagnetisches Feld, eine Art magnetischer Flasche, um das Plasma gelegt. Die Magneten halten das Plasma von den Reaktorwänden der 3.000-Tonnen-Anlage fern. Bei dem Experiment haben die Forscher dem bisher verwendeten Deuterium, erstmals 14 Prozent radioaktives Tritium zugesetzt, um mehr Energie zu erzeugen. Der Tritiumanteil soll bis 1996 auf 50 Prozent erhöht werden. Bis zur kommerziellen Nutzung in frühestens 50 Jahren werden Fusions- Forscher aber noch mindestens 150 Milliarden Mark an Forschungssubventionen ausgeben müssen. Als erstes ist ein internationaler thermonuklearer Experimental- Reaktor für acht bis neun Milliarden geplant. Hermann-Josef Tenhagen