Zurück zu den Dinosauriern?

In Griechenland bilden sich nur kurzatmige Alternativen zu den Altparteien/ Keine Chance für die Aufnahme drängender Probleme  ■ Aus Athen Robert Stadler

„Die belle epoque des politischen Anarchismus ist in Griechenland wohl endgültig vorbei.“ Der Abgesang auf die in den 80er Jahren überaus aktive Bewegung, wie ihn das Linksblatt 'Eleftherotypia‘ in einer Bildreportage formuliert, hat etwas Programmatisches: Er gilt für die außerparlamentarische Opposition und speziell die nicht in den Großparteien organisierte Linke im Ganzen. Schlagzeilen machen heute allenfalls noch 150 bis 200 jugendliche Autonome, die ihre Aggression gegen Staat und Polizei in regelmäßigen Manifestationen handgreiflich demonstrieren. Viele sehen in ihnen allerdings schon die Vorhut einer frustrierten Generation, deren Probleme noch verstärkt werden durch die seit Jahren bekannten und nie bekämpften Probleme Athens, wie Dauersmog und Zubetonierung der Viermillionenstadt.

Alternativ-Gruppen zur etablierten Politik hatten es in Griechenland schon immer schwer. Unter den Diktatoren wurden sie im Keim erstickt, und kaum waren die Despoten weg, dominierte die Kommunistische Partei, die sich immer als Protagonistin des Widerstandes zu profilieren vermochte (gegen deutsche Besatzer ebenso wie gegen die Junta), das linke Spektrum, behinderte auch das Wachstum nachrückender politischer Schichten. Am ehesten setzten sich dagegen noch die Maoisten durch: Kurz nach dem Sturz der Militärdiktatur 1974 brachten sie immerhin mehr als 30.000 Menschen für einen Protestmarsch auf die Beine, bei Wahlen zum Studentenparlament kamen sie schon mal auf zwölf Prozent. Doch auch sie sind heute verschwunden; ein ehemaliger Aktivist der Gruppe stellt auf die Frage nach möglichen Überlebenschancen lakonisch die Gegenfrage: „Sollen wir Hand an einen Leichnam legen?“

Nicht nur die älteren Alternativ- Gruppen sind weitgehend verschwunden; es gelingt auch kaum einer neuen Bewegung, nennenswerte Kräfte zu sammeln; und das gilt auch für die Umweltschützer. Trotz der himmelschreienden Probleme in der griechischen Hauptstadt findet die Partei der „Ökologie-Alternativen“ wenig Widerhall in der Bevölkerung; bei den Wahlen 1990 erreichte sie gerade 1,7 Prozent. Die anhaltenden internen Auseinandersetzungen zwischen der Fraktion, die reine Umweltpolitik auf ihr Banner geschrieben hat, und den „Politischen“ belegen, daß auch hier der selbstmörderische Zerfleischungsprozeß in vollem Gange ist. Waren bei der Gründung der Ökologen-Alternativen vor etwa drei Jahren 105 konstituierende Gruppierungen aus dem ganzen Land dabei, folgten bei den Treffen der letzten Monate gerade noch vierzehn Vertreter der Einladung des Parteisekretariats.

Mitunter flackern allerdings auch wieder Hoffnungen auf — vorübergehend in der Regel, weil immer nur kurzatmige Initiativen zustandekommen. So wurde 1989 das „Bündnis der Linken und des fortschritts“ — kurz „SYN“ — aus der Taufe gehoben. Noch vor den sich überstürzenden Ereignissen im Ostblock hatten sich die KP, die Eurokommunisten sowie sozialistische und kommunistische Miniparteien zusammengefunden und erreichten bei den Wahlen respektable elf Prozent, Konsequenz wohl auch des Verfalls der machtgeschädigten „Panhellenistischen Bewegung“ (PASOK) unter Andreas Papandreu. Doch schon zwei Jahre danach gehen die meisten wieder ihre eigenen Wege. Die orthodoxen Kommunisten, weitaus schlagkräftigste Komponente im Bündnis, zogen sich hinter ihre angestammten Mauern des Marxismus-Leninismus zurück. Allerdings blieben gut 30 Prozent, der reformfreudige Flügel, noch im SYN, und das gibt dieser Hoffnung, die Umwandlung zu einer einheitlichen, durchsetzungsfähigen Partei bis 1993 doch noch zu schaffen. Ob sie dabei einer reinen Komplementärrolle, vor allem zur sozialistischen PASOK, zu entkommen vermögen, scheint allerdings eher fraglich. Weniger wohl, was die Zusammenarbeit betrifft, als vielmehr in ideologischer Hinsicht.

Alternativen werden in Griechenland derzeit sowieso weitgehend an den Rand gedrängt oder regelrecht auf Null gebracht im alles dominierenden Duell der beiden „Dinosaurier“, der regierenden konservativen Nea Demokratia und der PASOK. Es scheint nämlich Papandreu derzeit ein weiteres Mal zu gelingen, alles, was gegen rechts und gegen konservativ ist, zu vereinnahmen. Der Kreis schließt sich dabei: Zu dieser Vereinnahmung trägt gerade wieder bei, daß die Parteien links von der PASOK gespalten sind oder in völliger Apathie dahindämmern.