PRESS-SCHLAG
: Rrrring, rrrring: Hallo? Vogts am Apparat!

■ Was der Bundestrainer für einen schweren Job hat, und wie er dem Ossi Sammer zeigte, wo's langgeht

Armer Bundestrainer. Sitzt jetzt wieder zu Hause in 4051 Korschenbroich vor dem Telefon, wackelt mit dem mählich dick gewordenen Kopf hin und her und brummt „Oh, oh.“ Blättert alsdann im Adreßbüchlein, nimmt sich die Abteilung „V“ und legt los: Null, null, drei, neun, die sechs für Rom, hackt mit dem Finger noch ein paar Nummern in die Scheibe und betet, daß die italienische Post nicht streikt. Rrrring, rrrring macht's, dann sagt Hans-Hubert Vogts erfreut „Rudi?“. Eine weibliche Stimme sagt „Signore Voller nixe in casa, forze domani“, der Trainer seufzt „Schon wieder die Haushälterin“ und hat vier Schweißtropfen mehr auf der Oberlippe.

Ein Hundeleben, das. Hat überhaupt nichts zu tun mit unseren Vorstellungen von einem echt klasse Job: Heute mal hierhin jetten und einen Kick beobachten, morgen beim Kaffee mit Rainer Bonhof die Vorzüge des Spiels ohne festen Libero diskutieren. Ist in Wirklichkeit alles nur traurig, traurig.

Ei, ei, ei, denkt jetzt wieder die verehrte Leserschaft, da spinnen sich welche in der taz was zurecht. Stimmt aber nicht, weil es die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist, daß der Bundestrainer kürzlich einem Journalisten den Wunsch nach einem Interview abgeschlagen hat mit den Worten „Muß noch meine Italiener erreichen“. Und hat sich die Tage drauf heiße Ohren telefoniert.

Nur bei einem hat's nicht rrrring, rrrring gemacht, vor dem Spiel gegen Wales, worauf Sammer, Matthias, 24, arg ungehalten war. Hat's auch noch laut gesagt, der aufmüpfige Ossi. Hat dafür gleich eins hinter die Ohren gekriegt vom Bundestrainer, auf ungewohnt sarkastische Art: „Soll ich vielleicht jeden guten Bundesliga- Spieler anrufen und sagen, daß er nicht eingeladen wurde?“ Den Effenberg hat er angerufen und eingeladen, obschon der auch gelegentlich ein Lippe riskiert, aber was dem einen als gesundes Selbstbewußtsein ausgelegt wird, ist beim anderen halt eine Unverschämtheit.

So nicht! Nicht mit dem Bundes- Berti! Da wird der Christdemokrat streng wie der sozialdemokratische Oberstudienrat Vogel. Er braucht auch gar nicht mit dem DFB-Knigge zu wedeln („Ehre deinen Vorgesetzten“), heut' reicht der Verweis auf die internationale Spielerbörse, was Vorgänger Beckenbauer mit „...immer am längeren Hebel...“ umschreibt und 'Sport-Bild‘ präziser mit „Karriere und Millionen“, will sagen: Ohne devoten Kniefall könnte Sammer sich Italien abschminken — die kaufen nur Nationalspieler.

Und Sammer, der schon drüben aneckte, hat begriffen, wie der Westhase läuft. Hat brav angerufen beim Chef (zehn Minuten) und sich entschuldigt: Soll nie wieder vorkommen etc. Hat er damit, wie Vogts monierte, gelernt, „sich wie ein Nationalspieler zu benehmen“? Gewiß, gewiß, alles ist im Lot vor dem Qualifikationsspiel am kommenden Mittwoch gegen Belgien. Sammers Rückkehr ausgerechnet am „Buß- und Bettag“, das wär' ein Akt von tiefer Symbolik.

Und vielleicht kauft der Deutsche Fußball Bund dem Bundestrainer ja zu Weihnachten sogar ein Tastentelefon mit Wahlwiederholung und programmierbaren Nummern. Er hätt's verdient. Herr Thömmes & Luik