Sambias neues Kabinett ernüchtert die Wähler

Nach den ersten demokratischen Wahlen kommen Zweifel an der Integrität des Kabinetts von Präsident Chiluba auf/ Doch die internationalen Finanzorganisationen räumen dem frisch gewählten Präsidenten einen Vertrauensvorschuß ein  ■ Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) — „Die Winde der Veränderung, die vor Dekaden für Afrika vorausgesagt wurden, haben unser Land endlich erreicht“, triumphierte Sambias siegreicher Präsident Frederick Chiluba in seiner Antrittsrede Anfang November. Er versprach, die „Exzesse, Tolpatschigkeit und Korruption“ seines Vorgängers Kenneth Kaunda durch „Disziplin, harte Arbeit, Ehrlichkeit und saubere Regierung“ zu ersetzen. Tatsächlich war die Machtübergabe von Chiluba zu Kaunda, wie beide betonten, vorbildlich für Afrika. Ob aber „Demokratie funktioniert“, wie der Hoffnungsträger Sambias und vieler Afrikaner auf dem ganzen Kontinent versprach, hängt nicht zuletzt davon ab, ob er aus seiner zusammengewürfelten „Bewegung für Mehrparteiendemokratie“ (MMD) eine kompetente Regierungspartei machen kann.

Zweifel an der Integrität der MMD gab es von Anfang an. Immerhin haben sich hier diverse Leute versammelt, die innerhalb der letzten 20 Jahre bei Kaunda in Ungnade gefallen waren, darunter viele ehemalige Kaunda-Vertraute mit fragwürdiger Vergangenheit. Dazu kommen Intellektuelle, Menschenrechtsanwälte, Gewerkschafter wie Chiluba selbst und sogar solche, die ihre Mitarbeit bei der MMD als Auftrag Gottes verstehen. Einziger gemeinsamer Nenner ist die Opposition zu Kaundas Regime.

Für viele Beobachter, vor allem in Sambia selbst, hat die Ankündigung von Chilubas Kabinett letzte Woche alle Befürchtungen bestätigt. Langwieriges Tauziehen innerhalb der MMD verzögerte die Kabinettsbildung zwei Tage über die von der Verfassung festgesetzte Frist hinaus. Und die Mannschaft, die da angetreten ist, flößt nur in Ausnahmefällen Vertrauen ein. „Die MMD wird auch als ,Movement for Mandrax Dealers‘ (Bewegung der Drogenhändler) verspottet“, meinte zynisch eine Sambierin. „Dem Spruch macht dieses Kabinett alle Ehre.“ Wie fast alle Kritiker der Regierung will sie nicht namentlich zitiert werden.

Da ist zum Beispiel der neue Finanzminister, Emmanuel Kasonde. Ihm fällt die Schlüsselrolle zu, den Berg von acht Milliarden Dollar Auslandsschulden abzutragen. Pro Kopf gerechnet ist Sambia das am schwersten verschuldete Entwicklungsland der Welt. Aber das Land selbst ist weniger entwickelt als zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit 1964. Die Geldmengen sind in irgendwelchen Nummernkonten versickert. Und Kasonde selbst hat vermutlich davon profitiert, war er doch Anfang der siebziger Jahre unter Kaunda Staatssekretär im Finanzministerium. „In diesem Job hat Kasonde seinen Reichtum angesammelt“, meint ein Beobachter.

Zweifel bestehen auch über den Außenminister Vernon Mwaanga, eine der schillerndsten Figuren in der MMD. Er ist ein umgänglicher, brillanter Mann, war mit 21 Jahren Kaundas Botschafter in Moskau, später Außenminister. Aber als Geschäftsmann macht er keinen Hehl daraus, daß seine finanzschweren Deals von der bisherigen Regierung blockiert wurden. Diese Blockaden sind jetzt verschwunden.

Zu den wenigen als integer angesehenen Persönlichkeiten im Chiluba-Kabinett gehört Guy Scott, der für Landwirtschaft zuständige erste weiße Minister in Sambias Geschichte. Er wird die Aufgabe haben, die enormen Subventionen des Maismehlpreises abzubauen. Das hatte auch Kaunda schon probiert — und nach landesweiten Aufständen wieder rückgängig gemacht.

Auch der Rechtsanwalt Rodger Chongwe ist ein glaubwürdiger Justizminister. Nach der Abschaffung des seit der Unabhängigkeit gültigen Ausnahmezustandes ermahnte er vor kurzem die Polizei, daß sie jetzt kein Recht mehr habe zu willkürlichen Durchsuchungen und Verhaftungen. Zudem ordnete er die Entfernung der bisher allgegenwärtigen Straßensperren im ganzen Land an. Aber, meint ein Beobachter, „die Schlüsselpositionen im Kabinett sind in der Hand einer Clique. Das wird Leute wie Chongwe isolieren, ihre Effektivität reduzieren.“ Chiluba ist diesen Leuten verpflichtet — waren sie es doch, die zuletzt für die Finanzierung der MMD aufkamen.

Die ersten Schritte der Regierung Chiluba sind dennoch kaum kontrovers. Der Sitz des Bergbaukonzerns ZCCM wurde kurz nach der Wahl von der Polizei umstellt, um die Entfernung belastender Dokumente zu verhindern. Sambia ist immer noch zu 90 Prozent von den Deviseneinkommen des Kupferbergbaus abhängig, auch wenn die Produktion seit der Unabhängigkeit zurückgegangen ist. Und ZCCM galt als Staat im Staat, den lediglich Kaunda selbst kontrollieren konnte.

Weltbank, Internationaler Währungsfonds und andere ausländische Geldgeber haben indessen duchblicken lassen, daß sie Chiluba größeren Spielraum geben werden als Kaunda. Kaundas Regierung war ihren Zinsverpflichtungen nicht nachgekommen, worauf weitere Darlehen storniert wurden. Chiluba hat andererseits vorgeschlagen, daß seine Regierung für die Demokratisierung des Landes mit dem Erlaß von Schulden belohnt wird.

Wie demokratisch das Land sein wird, bleibt jedoch weiterhin offen. Kaunda und seine „Unip“-Partei haben angekündigt, daß sie ihre 25 Sitze im 150 Abgeordnete umfassenden Parlament ausnutzen werden, um die MMD zu kontrollieren. Und niemand bezweifelt, daß die Unip mit allen Wassern gewaschen ist, wenn es um Korruption geht. Chiluba selbst hat wiederholt die Bedeutung einer unabhängigen Presse betont. Die Presse müsse der Regierung auf die Finger schauen. Ansätze einer unabhängigen Presse gibt es sogar schon. Chiluba ist einer der ersten afrikanischen Führer, die sich nicht mehr Entkolonialisierung und das Bauen einer Nation auf die Fahnen geschrieben haben, sondern Demokratie, Menschenrechte, Ehrlichkeit und Wohlstand.

Die Wahlen in Sambia waren beispielhaft. Nächstes Jahr werden in einer ganzen Reihe afrikanischer Länder demokratische Wahlen stattfinden: in Angola, Liberia, Nigeria, Mauretanien, eventuell in Mosambik und möglicherweise sogar im benachbarten Zaire. Sie alle werden auf Sambia schauen, um zu sehen, wie erfolgreich das Experiment mit der Demokratie sein kann.