FDP verschiebt Rücktrittsforderung

■ Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten sollen nicht in »stasi-vergifteter« Atmosphäre geklärt werden

Berlin. Das Parlament soll sich in seiner gestrigen Sitzung nicht mehr mit dem Polizeipräsidenten beschäftigt haben. Einen Antrag, daß Polizeichef Georg Schertz wegen Unfähigkeit und der jüngsten Stasi-Affäre zurücktreten soll, verschob die FDP auf die kommende Parlamentssitzung in 14 Tagen. Schertz erhalte dadurch Gelegenheit, Schritte zur Klärung einzuleiten. Olaf Irmscher, Pressereferent der Oppositionspartei, bekräftigte allerdings die Forderung seiner Partei. Wenn die Behauptungen der Hamburger Illustrieren 'stern‘ zutreffen würden, sei das sehr schwerwiegend, »dann hat sich Schertz von der Stasi manipulieren lassen«.

Der 'stern‘ berichtete in seiner gestrigen Ausgabe, daß sich Schertz vor der Räumung des Lenné-Dreiecks im Jahr 1988 von seinem Ostberliner Cousin, einem Stasi-Spitzel, habe beraten lassen. Irmscher verglich den »Fall Schertz« mit der damaligen Affäre von Willy Brandt. Der Bundeskanzler trat zurück, nachdem bekannt wurde, daß sein Kanzleramtsberater Günter Guillaume für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hatte.

Dieter Schenk, Polizeivizepräsident, bestätigte, daß gegen die »heiße Quelle« in der Polizei nur hausintern ermittelt wurde. Er habe die Ermittlungen geleitet, damit möglichst wenig Mitarbeiter von dem Vorgang erfahren. Allerdings sei mit der externen Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet worden.

Schenk sagte, wenn er selbst die »heiße Quelle« gewesen sei, hätte er die Ermittlungen unterdrückt — allerdings habe der Verfassungsschutz kein Indiz dafür gehabt, daß er oder die mit den Ermittlungen beauftragten Mitarbeiter aus der Sonderinspektion Spionage von der Stasi bespitzelt wurden. Der Verfassungsschutz hätte bei den Ermittlungen nicht mit hinzugezogen werden können, weil die Verfassung das Trennungsgebot vorschreibe. Der Vorwurf der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, daß nach der Ermittlungsarbeit die Öffentlichkeit nicht informiert worden war, könne sich nicht gegen ihn richten, sagte der Vize, weil er seinem Vorgesetzten, dem damaligen SPD-Innensenator Erich Pätzold, immer Bericht erstattet habe.

Dieser stand im Oktober letzten Jahres mitten im Wahlkampf. Warum er geschwiegen hatte, war bis Redaktionsschluß nicht zu klären. diak