Die alte Herrlichkeit bleibt versunken

EM-Qualifikation, Gruppe 4: Dänemark-Nordirland 2:1/ Die Dänen sind wieder gescheitert  ■ Aus Odense Jan Feddersen

Enttäuscht sei er nicht, teilte Richard Möller Nielsen später mit, es sei „doch eigentlich ganz klar“ gewesen, daß die Jugoslawen sich selbst in Österreich „kein Bein stellen“ würden. Ja, aber doch, „schade“ sei's, daß seine Mannschaft, das schon bei der WM 1990 zum Zuschauen verurteilte dänische Nationalteam, im kommenden Jahr nicht bei der Europameisterschaft in Schweden mitmachen darf, „wir hatten es uns wirklich sehr gewünscht“.

2:1 hatten die Jungs um Tormann Peter Schmeichel, außerhalb nationaler Pflichten in Diensten von Manchester United, gegen das Team Nordirlands gewonnen. Gleichzeitig hatte das kroatenlose Aufgebot Jugoslawiens in Wien den Österreichern die erwartete Niederlage in Höhe von 0:2 verpaßt. Selbst ein Unentschieden hätte den Jugoslawen gereicht, vorausgesetzt, daß die Dänen nicht mit elf Toren Unterschied gewonnen hätten.

Und am Anfang der Partie vor 17.000 Zuschauern im Idraetspark der fünischen Kreishauptstadt Odense — eine für dänische Verhältnisse fast gigantische Kulisse, so als sei in Rio de Janeiro das Maracaná- Stadion ausverkauft — schien alles darauf hinzudeuten, daß die Nordiren keine Lust und die Dänen Hunger auf einen zweistelligen Sieg hatten.

Schon der erste Eckball in der zweiten Minute wäre von Allan Fettis fast ins Tor verlängert worden, hätte nicht Kevin Wilson das Leder noch von der Linie gedroschen. Im übrigen wäre der Treffer in die Rubrik Tor mit Publikumsunterstützung gefallen, Fettis hüpfte nämlich nur deswegen formschön am heransegelnden Ball vorbei, weil er gleichzeitig eine Rolle Klopapier in seinen Strafraum fliegen sah.

Jedenfalls: die Zuschauer waren guter Dinge. Viele von ihnen hatten sich — wie zehntausende von Fußballmigranten aus dem Königreiche 1988 auch zur EM hierzulande vorführten — mit rot-weißer Körperfarbe angemalt, manche trugen auch diese possierlichen Mützchen, die statt eines Bommels durch zwei Hände gekrönt sind, mit denen man per Knopfdruck applaudieren kann. Erstmals zum Einsatz kamen sie schließlich in der 24. Minute, als der Dortmunder Flemming Povlsen eine Flanke von Johnny Mölby ins Tor verlängerte.

Der Jubel war sehr groß, man schunkelte gar stellenweise, verzichtete dankbarerweise auf la ola. Das 2:0 schließlich ging wiederum auf das Konto des Dortmunder Stürmers mit dänischem Reisepaß, in der 37. Minute eine heftige Konfusion im nordirischen Strafraum ausnutzend. Zu dem Zeitpunkt hätte es bereits 5:0 stehen können, Chancen über Chancen räumten die Männer vom irischen Nordzipfel den tapferen Dänen ein.

In der Halbzeit schließlich wurde die dänische Elf von ihrem Trainer — für die meisten dänischen Journalisten als Nachfolger Sepp Pionteks immer noch „eine Notlösung“ ('Ekstrabladet‘) — schier belogen. 0:0 stünde es in Wien, alle Chancen offen. Die Spieler um den beim türkischen Klub Trabszonspor unter Vertrag stehenden Kapitän Lars Olsen hatten ihm wohl nicht geglaubt, „die Anfeuerung wäre wohl größer gewesen“, erzählte er, „die Zuschauer hatten doch Radios mit“.

Also verfielen die Mannen, die ohne Brian und Michael Laudrup auskommen mußten — beide hatten schon vor Monaten erklärt, nicht mehr mitspielen zu wollen, da Dänemark in der EM-Qualifikation ohne Chance sei — in übelsten skandinavischen Kickstandard, überließen den Nordiren die Initiative, was in der 68. Minute zum 1:2-Anschlußtor führte. Dabei blieb es.

Richard Möller Nielsen, ein freundlicher Mann mit analytischem Talent, blieb wie gesagt gelassen: „Wir müssen jetzt weitermachen, Richtung Weltmeisterschaft in den USA.“ Ob die alte Herrlichkeit („We Are Danish Dynamite“) wieder auferstehen werde, wie dänische Journalisten hoffend fragten, wußte er nicht: „Das ist alles sehr zufällig beim Fußball. Beim dänischen sowieso.“

Woraufhin die kleine Stadt zwischen Jütland und Seeland wieder in ihren sympathischen Provinzschlaf zurückfiel, die dänischen Fans noch mehr Bier in sich hineinschütteten, die Polizei wie immer mit ihnen nichts zu tun hatte, in und um ein Stadion, das nicht vergittert und zum Hochsicherheitstrakt ausgebaut wurde. In Dänemark ist die Fußballwelt offenbar nicht so wichtig.