KOMMENTARE: Kadijevic steht nun im Wort
■ Auch die jugoslawische Volksarmee stimmt nun dem Einsatz von Friedenstruppen zu
Seit gestern ist gedämpfter Optimismus über einen Waffenstillstand im serbokroatischen Krieg angebracht. Indem der EG-Unterhändler Lord Carrington die serbischen Politiker beim Wort nahm und deren Forderung nach einem Einsatz von UN-Friedenstruppen aufgriff, scheint die Lage eine neue. Auch wenn die Kalkulationen der serbischen Führung angesichts der düsteren wirtschaftlichen Lage und der Unwilligkeit der serbischen Wehrfähigen, in den Krieg zu ziehen, durchsichtig sind und sich kurzfristig ein strategischer Vorteil für Serbien durch den Einsatz von UN- Truppen bieten sollte: wichtig ist und bleibt, daß lediglich UN-Puffertruppen weiterem Tod und Verwüstung Einhalt gebieten können.
Die Frage, wo die UN-Truppen stationiert werden — entlang des aktuellen Frontverlaufs, wie es die Serben wünschen, oder an den Grenzen der Republik Kroatien, wie es Kroatien will —, bleibt weiter ein Streitpunkt. Mit dem grundsätzlichen Einverständnis von Verteidigungsminister Kadijevic jedoch, dem Plan Carringtons zuzustimmen, zeichnet sich eine wichtige Kompromißformel ab. Man signalisiert erstmals, den Einsatz ausländischer Truppen zu erwägen und zugleich zuzugestehen, daß sich die eigenen Truppen aus den eroberten Gebieten zurückziehen müßten. Die serbischen Minderheiten in Kroatien würden durch UN-Truppen geschützt — so jedenfalls lautet die serbische Forderung. Weitere Verhandlungen würden im Rahmen internationaler Organisationen vor sich gehen, die es beiden Seiten ermöglichten, eine Verhandlungslösung anzupeilen. Und zu dieser kann auch die Veränderung von Grenzen gehören — wie soll die Krajiana jemals wieder kroatisch werden? —, keinesfalls aber die Legitimierung des Eroberungskrieges.
Bis es zum Einsatz der Puffertruppen kommt, müssen allerdings — und auf diesen Punkt hat der amerikanische Emissär Vance vor den UN in New York hingewiesen — alle Privatarmeen aufgelöst werden. In Kroatien wurde der größte Teil der Verbände der HOS, der Milizen der ultranationalistischen „Partei des Rechts“ in den letzten Tagen unter die Befehlsgewalt der kroatischen Armee gestellt. Die Truppen der serbischen Finsterlinge von Captan Dragan und der Tschetniks sowie selbständig operierender Armee-Einheiten wie die in Banja Luka müßten jedoch von der jugoslawischen Volksarmee selbst diszipliniert werden. Kadijevic steht zwar seit gestern im Wort. Er hat es jedoch schon öfters gebrochen. Erich Rathfelder
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