■ AUF IRISCH GEDACHT: So ein Hundeleben
Es wird gesagt, daß der Hund des Menschen bester Freund ist; doch ist dabei ein Hund dennoch ein Hund — jedenfalls ist das in meiner Heimat so. Und verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Wir behandeln den Vierbeiner in Irland bestimmt nicht schlecht; natürlich gehen wir mit ihm spazieren, füttern ihn ordentlich und vergewissern uns immer darüber, daß er einen guten Schlafplatz hat. Doch bleibt letztendlich, am Ende eines jeden Tages, der Hund ein Hund, und als solchen lieben und schätzen wir ihn. In Berlin scheint dies alles eine ganz andere Geschichte zu sein; so erhalte ich den Eindruck, als befinde sich der Hund hier in einer gesellschaftlich »hohen Position« (oberhalb des Berliner Bären sogar) und würde als solcher — gleich einem Massenidol — verehrt.
Beinahe jeden Tag, wenn nicht sogar zweimal täglich, begegne ich einem Individuum, welches sich mit seinem Hund unterhält, und nicht etwa nur im Sinne eines »small talk«, wie »Platz, Hasso!« oder »Los, Benno!« — nein! Ein richtiges Gespräch wird da geführt, wie etwa: »Und morgen gehen wir einen schönen Spaziergang in der Jungfernheide machen und danach besuchen wir Frau Siebenbrecht, wo du dann ein paar delikate Nierenstückchen bekommst, die die gute Frau dir kocht; das wird dir doch gefallen, oder?« Der kleine »Waldi« wird dann zu seinem »Herrchen« oder »Frauchen« aufschauen, seiner Schnauze einen wirklich glücklichen Ausdruck verleihen. Eine andere, beinahe noch obskurere Situation, die ich des öfteren beobachte, ist die Versammlung einer Menschengruppe um einen kleinen Hund (manchmal bekleidet in neuer rot-gelb- gestreifter Jacke, in welcher er sich unheimlich lächerlich fühlt); die Mitglieder der Gruppe tauschen sich bis ins allerletzte Detail über die Schlafgewohnheiten des »Kleinen« aus, über die Art seiner Kopfhaltung, charakterisieren seine Eßgewohnheiten und analysieren das sporadische Zittern seines linken Beins; währenddessen wünscht sich der »zentrierte« Vierbeiner eigentlich nur, ein bißchen toben zu dürfen, einer Hündin nachzujagen, einfach ein bißchen Spaß zu haben.
In der Zeit meines Berlinaufenthaltes war ich ein einziges Mal selbst in Begleitung eines Hundes unterwegs, den ich für einen Freund zum Spaziergang auf Berlins Straßen mitnahm. Die Anzahl der Menschen, die mich an diesem Nachmittag ansprach, war beeindruckend; manche redeten mit mir nur über »meinen« Hund, andere widmeten diesem zunächst einmal ihre Aufmerksamkeit, um dann zu einem anderen Thema überzuleiten; ich weiß wirklich nicht, wer ich an diesem Nachmittag ohne den Vierbeiner gewesen wäre....
Der Hund ist also der »Schweigensbrecher«. Die kleine Gemeinsamkeit, »Besitzer« eines solchen zu sein, läßt uns einander näher kommen, die Hemmschwelle überschreiten, einander vertrauen. Berlin ist eine wirklich riesige Stadt, in der sich die Menschen schon sehr einsam fühlen können. Davog Rynne
Übersetzung: Angelika Sandmann
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