Schöner schwacher Schein

■ Das architektonisch-olympische Barcelona präsentiert sich in Berlin — oder: Was wir nicht wollen

Natürlich kann man sich vorstellen, daß die Olympischen Spiele im Jahre 2000 in unserer Stadt stattfinden werden: nachdem sich die ersten (und dann auch die allerletzten) Organisatoren, Berater und Werbemanager von »Olympia«, die Tief- und Hochbauunternehmer und diverse andere Geschäftemacher das Geld in die Tasche gestopft und sich längst im bestprämierten Endspurt der Spiele aus dem Staub gemacht haben und das große Erwachen beginnt, der Katzenjammer, der Kater. Ja,ja: das wird dann schon so sein...

Vorher aber steht Arbeit an: Werben, Geld beschaffen, Programme machen, Spitzenmanager feuern und nach neuen suchen — dann: planen, die Stadt umbauen, umkrempeln. Irgendwie, wird schon gehen, erst mal ran! Doch diese Devise kennen wir — nach ihr wird überall dort verfahren, wo es zu verbergen gilt, daß Planung immer einhergeht mit großen Veränderungen für die Betroffenen, für die in der Stadt zurückgelassenen Menschen. München, so sagen es die Verantwortlichen heute, habe für die Stadt nur positive Innovationen und Entwicklungen in den Bereichen der Stadtplanung und der Infrastruktur gebracht.

Dasselbe vernimmt man zur Zeit aus Barcelona, wo im nächsten Jahr die internationale Turn-, Schieß-, Stoß-, Werf- und Rennerriege antreten wird. Was dort in den letzten Jahren auf diesem Gebiet geleistet wurde, wird zur Zeit in der Berlinischen Galerie im Martin-Gropius- Bau unter dem Titel Barcelona/ Olympia/Architektur präsentiert.

Was für eine Chance — eine Ausstellung mit diesem Titel! Aber nein, man stellt uns den ausgeschnittenen, vergrößerten und hochglanzpolierten Werbeprospekt der Stadt Barcelona vor. Beim Ärger über den Besuch dieser Ausstellung fällt einem nur die Frage ein: Ob man uns wirklich für so dumm hält? Es macht geradezu erstaunen, mit welcher Skrupel- und Bedenkenlosigkeit uns die gewaltigen Umstrukturierungsprozesse der Stadt am Meer vorenthalten werden und mit welcher Dreistigkeit uns weiszumachen versucht wird, daß mit dem großen Umbau nicht auch ganze Bevölkerungsgruppen aus ihren bisherigen Quartieren verdrängt wurden und daß Barcelona eine Teuerung der Lebensverhältnisse von ungeheuren Ausmaßen erfahren hat.

Die Diskussion über solche Begleiterscheinungen hat hierzulande gerade mal ihren Anfang genommen. Den Ausstellungsmachern wäre geraten gewesen, die Stimmung pro und contra Olympia in Berlin etwas genauer einzufangen und in ihr Konzept einzubauen.

Man hätte auf die neuralgischen Gebiete in dieser Stadt hinweisen können und vor allem diese Schau mit der Präsentation erster Überlegungen zu Standorten von Einrichtungen für eventuelles Olympia in Berlin verbinden müssen. Diese Standorte und potentiellen Einrichtungen wurden und werden zwar im kleinen Kreis von Senats- und Olampiaverwaltungen angedacht und mitunter im Hassemerschen Stadtforum diskutiert — warum aber nicht hier in der Öffentlichkeit, mit Karten, die jeder lesen und verstehen kann?! Und das im Zusammenhang mit woanders gemachten Erfahrungen?

Nein, nein nein!

Es wird geradeso getan, als wäre das alles irgendwann ein großes Fest, in dessen Vorfeld die Stadt die Möglichkeit erhält, sich etwas schick herauszuputzen: hier ein Plätzchen aufgebessert, dort eine Straße überdacht und mit feinen Lämpchen ausgestattet, hier und dort ein Brunnen, ein bißchen Kunst nach dorten und hierhin, Straße weg und Fußgänger hin, hier 'ne Trasse, dort 'ne U-Bahn — ach ja: hier noch ein Stadion, ein Schießstand dahintenhin; und alles — versteht sich — vom Feinsten, was die Auswahl der Architekten betrifft; und das alles — versteht sich — unter der Ober-Regie von den verständnisvollsten Bürokraten in den Ämtern organisiert und gelenkt. Hepp! fertig. Da staunt der Fachmann — und der Laie wundert sich.

Die Ausstellung beschränkt sich allein darauf, uns schöne Bildchen, die großen und kleinen Farbfotos mit architektonisch-städtebaulichen Beispielen des olympischen Stadtumbaues, und viel zu kurze und uninformative Textchen zu präsentieren. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß man unbesehen und unerlaubt unkritisch eine Werbeveranstaltung eingekauft hat, von der man sich höchstens wünscht, daß sie im kleinen Prospekt in Reisebüros verteilt wird.

Was für die Stadt Barcelona als Rechtfertigungsstrategie und Touristen-Anlockmittel erlaubt ist, kann aber für eine Einrichtung wie die Berlinische Galerie nicht den Maßstab bilden — sie ist damit unter ihr sonstiges Niveau geraten. Martin Kieren

Berlinische Galerie im Martin- Gropius-Bau