: Das Ende der schwarzen Scheiben
■ Good-bye Langspielplatte, Good-bye Single, Good-Bye Maxi: Analog, digital oder ganz egal?
Zehn Jahre nach ihrer Geburt hat die CD die Langspielplatte aus Venyl verdrängt. Aus den großen Verkaufshallen für Musikkonserven vermelden die Verkaufsleiter und Disponenten einen Umsatzanteil bei CDs von siebzig Prozent. Nur noch 15 Prozent aller Schallplattenkäufer zupfen sich die langgeliebte Venylscheibe, etwa 15 Prozent greifen zur bespielten Musikcassette. Der Trend ist in allen Musiksparten gleich: Ob Pop, Klassik oder Jazz oder Volksmusik, die digitale Plastikplatte liegt in der Gunst der Konsumenten deutlich vorn und wird die Langspielplatte bald ablösen.
„In zwei Jahren wird es keine Langspielplatten mehr geben“, vermutet Ralf Badenhop (32), bei einem großen Bremer Medienmarkt Disponent für Schallplatten. So lange noch brauchten Industrie und Kundschaft, bis sie Produktion und Konsumverhalten gänzlich umgestellt haben. Der Trend ist aber überdeutlich: Bereits jetzt sind in großen Bremer Schallplattengeschäften keine Klassik-Langspielplatten mehr zu haben. Im Bereich Jazz werden etwa die Hälfte aller Produktionen bereits ausschließlich auf CDs gepreßt. Im Bereich Pop werden zwar fast alle kommerziell erfolgversprechenden Titel noch auf Venyl gepreßt. Die sind aber bereits teurer als ihre CD- Schwestern, weil die Stückzahl der Produktionen gegenüber der digitalen Scheibe deutlich zurückgegangen ist.
Abschied nehmen heißt es auch von der klassischen 45er. Kaum ein Geschäft hält heute mehr als 100 Titel auf Lager. Die „Single“ der 50er und 60er Jahre wird heute nur noch „an Liebhaber verkauft, die eine Musikbox im Keller haben“, erklärt die Musik- Abteilungsleiterin eines Bremer Warenhauses, Anita Holisz (50). Und auch die Nachfolgerin der „Single“, die „Maxi“, eine Erfindung der achtziger Jahre, läuft aus: Die Maxi-CD mit zwei Titeln ist auf dem Vormarsch und bereits genauso billig wie ihre analogen Vorgängerinnen.
Mit Qualität hat das alles nichts oder alles zu tun, eher mit Weltanschauung. Obwohl die CD für ihr rauscharmes und knisterfreies Ohrvergnügen bekannt ist, schwören eingefleischte Analogisten weiter auf Venylscheiben. Ihre Anhänger haben aber mindestens einen Rolls-Royce als Plattenspieler. Die akkustischen Unterschiede wirken sich vor allem im meßtechnischen Bereich aus, da, wo das menschliche Ohr ohnehin schon aufgegeben hat.
Dagegen ist die CD bedienerfreundlicher. Die Langspielplatte hatte nur eine Spieldauer von etwa 20 Minuten, wenn sie eine gute Klangqualität hatte. Auf einer CD können locker 80 Minuten Musik untergebracht werden. Die CD ist gegenüber mechanischen Schäden resistenter: Weil die Signale nicht direkt oder mechanisch, sondern mit einem Laserstrahl abgenommen werden, entfallen die lästigen „Kratzer“, die sich wie Jahresringe fast unvermeidbar ins Venyl graben. Schöne Grüße - knack — von der letzten — knack — Party — knack.
Ähnlich wie bei der Umstellung von Schellack-Platten auf Venyl werden die schwarzen Scheiben bald nur noch im Second-Hand-Weg zu haben sein. Das wird die Stunde der Liebhaber, der Flohmarkt-Bummler und Schallplattenbörsianer. Denn als CD nachgepreßt werden ausschließlich kommerziell attraktive Platten.
Auch die Geräte werden sich verändern. Zwar wird es nach wie vor Tonabnehmersysteme geben, aber „eben nicht mehr so viel verschiedene, zwei, drei billige, und einige teure“, schätzt Disponent Badenhop. mad
Suche: „Ein bißchen Goethe, ein bißchen Banaparte“, 45er von France Gall, Decca, 1969, in gutem Zustand, melden in der Red.
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