Verzwickte Bettgeschichten

■ Mit wem wer das Lager teilt, gehnt nun wirklich niemanden etwas an. Auch wenn das eine Frage ist, die unsere Mitmenschen am dringlichsten zu interessieren scheint. Viel wichtiger ist hingegen, welcher Art...

Mit wem wer das Lager teilt, geht nun wirklich niemanden etwas an. Auch wenn das eine Frage ist, die unsere Mitmenschen am dringlichsten zu interessieren scheint.

Viel wichtiger ist hingegen, welcher Art dies Lager ist. Ob Futon, Federkern oder Latex—

darüber kann, ja soll sogar öffentlich diskutiert werden. VON CHRISTINE BERGER

H

aben Sie sich nicht auch schon mal gefragt, auf welcher Liege sich die Lady „In bed with Madonna“ rekelt? Kein noch so neugieriger Reporter ist bisher auf die Idee gekommen, das blonde Pop- Püppchen nach ihrer Meinung zu Federkern, Schaumstoffmatratzen oder Wasserbetten zu befragen. Laut internationaler Gerüchteküche soll ja auch Madonna gelegentlich unter Rückenschmerzen leiden, und das könnte nicht zuletzt am fehlenden Wissen um die ideale Unterlage für den Schönheitsschlaf liegen.

Was tun Madonnas, wenn es Bettprobleme gibt? Richtig, sie gehen damit an die Öffentlichkeit. Für den geplagten Durchschnittsschläfer bedeutet das allerdings weniger einen hochdotierten Exklusivvertrag mit irgendeinem Revolverblatt, sondern den simplen Gang ins Bettengeschäft. Dort schleichen dann von schlaflosen Nächten gezeichnete Gestalten von Abteilung zu Abteilung, werfen verzweifelte Blicke auf Preisschilder und Fachchinesisch und schämen sich ihrer Vergangenheit mit der geliebten, alten, ausgeleierten Schaumstoffmatratze. Die stammte noch aus der Kinderstube und war Bestandteil des sogenannten Jugendzimmers aus Schleiflackmöbeln, das die Eltern zum zehnten Geburtstag ihrer Göre anschleppten. Die Matratze ließ sich hervorragend — weich wie Butter — als Trampolin umfunktionieren, und bis zur ersten Pickelphase profitierten sämtliche Nachbarskinder von dem elastischen Liegepolster. Später fanden dann die ersten Knutschgeschichten ihren Platz auf diesem Bett, und Tränenbäche aus Liebeskummer führten zeitweilig zu Schimmelbefall auf der Matratze.

Selbstverständlich wurde die Schaumstoffunterlage auch noch mit in die erste Wohngemeinschaft geschleppt. Aber spätestens hier geriet die Matratze dann zum ersten Mal unter rhetorischen Beschuß. „Wie kannste da bloß drauf schlafen“, nörgelten Mitbewohner und Freunde, die mal eine Nacht ihre Glieder darauf verteilen durften. Wer sich noch auf Schaumstoff bettete, galt als heillos altmodisch. Seufzend wurde das watteweiche Unikum also in die Ecke gestellt.

Die Alternative? Der Futon natürlich — alle Welt schlief Mitte der achtziger Jahre plötzlich auf erschreckend platten Baumwollagen. Das war angeblich gesund, und beim halbjährlichen Umzug von WG zu WG ließ sich die Matte außerdem prima unter den Arm klemmen. Lifestyle auf japanisch. Insgeheim aber trauerten viele schon bald ihrer herrlich ungesunden Schaumstoffmatratze nach. Der Futon hatte nämlich die Eigenschaft, plötzlich von der körpereigenen Schwerkraft verursachte Kuhlen zu bilden, die sich nicht mehr wegzaubern ließen. Rollten die Japaner ihre Futons nämlich wie üblich jeden Tag wieder zusammen, um Platz zu schaffen, so ließen die europäischen Futon-Fetischisten die Unterlage einfach jahrelang platt liegen. Ein folgenschwerer Fehler, denn nur durch das tägliche Zusammenrollen schütteln sich die durchgelegenen Stellen wieder aus. Für eine langjährige Karriere des Futons unter deutschen Daunendecken war es deshalb bald zu spät. Spätestens nach zwei Jahren Dauerschlaf auf japanische Art wechselten Futonfans wieder zur Matratzenlobby über. Ernsthafte Rückenleiden und in die Jahre gekommene Knochen forderten ihren Tribut, und eine Weile mußte die Schaumstoffmatratze aus alten Tagen aufs neue herhalten. Endlich war der Schlaf wieder tief, der Rücken versank wohlig in weichem Polyester, und es machte sich gegen allzu hartes Liegen eine Aversion bemerkbar.

Aber auf Dauer konnte der Schaumstoff natürlich auch keine Lösung mehr sein. Viel zu lange hatte man sich Bücher über das gestörte Schlafverhalten auf Kunststoffen durchgelesen, hatte sogar per Wünschelrute elektromagnetische Schwingungen unter dem Bett ausgelotet und es daraufhin in eine andere Ecke des Raums plaziert. Und da sollte jetzt die Schaumstoffmatratze wieder ran?

Im Freundeskreis hatte mittlerweile der bewährte Federkern wieder Einzug gehalten. Die meisten Schlafmützen waren damit völlig zufrieden, wenn es auch qualitativ grandiose Unterschiede zwischen Federkern und Federkern gab. Die einen schworen auf die sogenannten Taschenfederkernmatratzen, vierhundert einzeln in Gewebetaschen eingenähte hochsensible Stahlfedern, die vermeiden sollten, daß sich dem Liegenden plötzlich eine Sprungfeder in den Rücken bohrte. Andere wiederum waren mit dem billigeren Taillenfederkern aus 207 vergüteten Federn völlig zufrieden. Nach eingehendem Erfahrungsaustausch mit diesen Federkernkennern wurde die Schaumstoffmatratze kurzerhand wieder in die Abstellkammer verbannt und ebenfalls eine Federkernmatratze gekauft. Nicht zu hart, aber auch nicht zu weich und selbstverständlich mit Sommer- und Winterseite, hielt die Standardliegefläche von 1,40 mal 2 Metern Einzug auf dem Hochbett. „Schafschurwolle ist gut im Winter, weil es die Feuchtigkeit aufnimmt. Baumwolle ist für den Sommer wegen der hygroskopisch wirkenden Faser, die bis zu 45 Prozent des Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnimmt“, hatte die Verkäuferin die Vorteile der verschieden bespannten Matratzenseiten erklärt. Und wer hätte schließlich gedacht, daß der Mensch jede Nacht einen halben Liter Wasser ausdünstet?

Jetzt, nach einem halben Jahr trauter Zweisamkeit mit dem Federkern, ist klar, daß dieser auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Zwar ließ sich bislang darauf prächtig schlafen. Aber die Öko-Wissenschaft weiß es besser. Metall nämlich, so heißt es neuerdings, beeinflusse durch seine magnetischen Felder den menschlichen Körper in schädlichster Weise. Stahlfedern hätten kurzum nicht das geringste in einer Matratze verloren. Besonders radikale Vordenker lehnen sogar seit neuestem Nägel im Bettgestell ab.

Was also tun? Nun, es gibt zwei Möglichkeiten. Die Federkernmatratze links liegen lassen und auf Latex umsteigen ist eine davon. Statt aus bösen Federn besteht der Kern dieser neuen Matratzengeneration aus Naturkautschuk mit sogenanntem Luftkammernsystem. Angeblich bietet solcherlei Windbeutel eine hervorragende Punktelastizität, was immer das auch heißen mag. Vorsichtshalber sollte man sich allerdings gleich die Anti- Allergiker-Ausführung besorgen. In diesem Falle ist der Matratzenbezug waschbar und packt angeblich somit jede potentielle Hausstauballergie bei der Wurzel.

Möglichkeit Nummer zwei ist wesentlich preiswerter und kostet ob der finanziellen Investition keine schlaflosen Nächte. Einfach ein Paar stabile Haken in zwei gegenüberliegende Zimmerwände dübeln, eine hübsche Hängematte aus biologisch angebautem Sisal besorgen und dazwischenhängen. Der Gesundheit zuliebe ist zu empfehlen, eine Hälfte der Nacht in der Hängematte zu verbringen. Die restlichen Stunden dürfen dann beruhigt auf den alten Stahlfedern zurückgelegt werden. Was sagen qualmende Müslis immer? Es kommt nur auf das Gleichgewicht von Gut und Böse an!