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■ Die kalte Heimat Ein Solidaritätsabend * "...rrraus. Die Ausländer und ihre Deutschen", Do., ARD, 20.15Uhr

Was kann man für oder gegen eine Sendung schreiben, die für ein menschliches Zusammenleben von Millionen Menschen in diesem Land eintritt. Namhafte zwölf Prominente versuchten am Telefon, während der Sendung, die aufgebrachten Bürger davon zu überzeugen, daß der Fremdenhaß eine schlimme Dummheit ist. Die aufrichtigen Künstler zeigten am Anfang des Programms ihre Solidarität mit den Minderheiten in Deutschland. Und die wenigen anwesenden Politiker betonten den rechten Sinn gegen den aufkeimenden Rassismus.

Die anderen ausländischen Gäste des Abends machten nochmals deutlich, daß dieses Land keine kalte Heimat für Millionen Menschen nicht- deutscher Herkunft werden dürfe. Was kann man für oder gegen eine Sendung schreiben, wenn die aktuellen parteipolitischen Akteure wie Rühe und Stoiber ohne eine einzige Stellungnahme im Hintergrund bleiben, und die Ausländerpolitik der Bundesregierung in keiner nennenswerten Weise „angekratzt“ wird. Zufall, aber doch eine seltsam-komische Ironie: Während Bundeskanzler Kohl gegenüber dem American Jewish Committee in New York versichert, daß Deutschland ein ausländerfreundliches Land ist, sendet die ARD einen Tag später ein Solidaritätsprogramm, damit dieses Land nicht ausländerfeindlich bleibt. Zur Zeit wird der aktuelle Kanzlerwunsch von einer geduldeten, fatalen Entwicklung überdeckt, die das ehemalige „DDR-Gebiet“ fast „ausländerfrei“ gemacht hat und die, bis jetzt vom dumpfen Ausländerhaß weitgehend verschont gebliebene, „Restrepublik“ immer mehr mitbeeinflußt. Er, der Bundeskanzler, und seine Partei tragen eine gehörige Portion Verantwortung an dieser Entwicklung. Eine Sendung wie ...rrraus kann die verschiedenen Einstellungen, Vorurteile und Ängste nicht ohne weiteres ändern. Doch kamen solche Personen wie Heiner Geißler in der Sendung zu Wort, der knappe, aber kristallklare Sätze wirksam aussprach: „Es geht nicht darum, ob wir mit Ausländern zusammenleben wollen, sondern wie wir zusammenleben. Über fünf Millionen Menschen sind Inländer ohne deutsche Pässe. Die Politik muß die Diskriminierung aufheben.“

Die Moderatoren und die vielen Beteiligten des Solidaritätsabends konnten aber zu der Frage, wie es jetzt weitergehen soll, nicht befriedigend Stellung nehmen. Schade, daß das öffentliche Interesse gegen Ende der Sendung so stark nachließ. Man kann es wohl auch symbolisch verstehen, daß der Platz vor dem Kölner Schauspielhaus, von wo man die Sendung live übertrug, schließlich fast menschenleer war. Wird erst ein weiteres Opfer das schlechte Gewissen vieler wieder aufrütteln können? Özcan Ayanoglu